Heft 2 / 2004: "Sport"

Matthias Marschik

Abstracts

»Kehren wir endlich zurück zum Sportlichen!« Überlegungen zur Neutralität des Sports

Dem Terrain des Sports wird eine immense Bedeutung zugeschrieben: Dies zeigt sich an seiner Medienpräsenz ebenso wie an seinem enormen ökonomischen und politischen Potenzial. Aber auch seine politischen Funktionen sind evident, man denke an die Prominenz bei Großveranstaltungen oder an seine Rolle für die Konstruktion personaler wie kollektiver Identitäten, von individuellen Vorbildwirkungen bis zum Nationalbewusstsein. Daher verwundert es, dass die Verwobenheit der Sportkultur mit den Sphären der Wirtschaft und Politik in der Konstruktion und Rezeption von Sportereignissen radikal ausgeblendet wird. Alle, die am Sport beteiligt sind, SportlerInnen und FunktionärInnen, Fans und ZuschauerInnen, Sponsoren, PolitikerInnen und Medien, wirken an der Konstruktion einer »neutralen« Sphäre des Sports mit, die unabhängig von ökonomischen und politischen Prämissen ist. Obwohl politische Verquickungen des Sports ebenso bewusst sind wie ökonomische, wird die Zuschreibung als »neutrale« Sphäre mit Nachdruck aufrecht erhalten.

Georg Spitaler

Abstracts

Echte Skistars. Zur Vorstellung der »authentischen Vertretung« in österreichischen Wintersportdiskursen

Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit Spezifika nationaler Vertretung durch österreichische Skistars. Als Ausgangspunkt dient die These, dass im Vergleich zu politischer Repräsentation, die oft unter dem Gesichtspunkt der Inszenierung betrachtet wird, gerade die Zuschreibung »authentischer Vertretungsverhältnisse« die wintersportliche Repräsentation vielfach auszeichnet und diese für die Welt der Politik attraktiv macht. Als Quellenmaterial dienen das populäre Genre der SportlerInnen-Biographie und deren formelhafte Sinngebungen von sportlichen Siegen und Misserfolgen (folk tales). Konkret betrachtet werden auf diese Weise die medialen Repräsentationen österreichischer Skistars, ihre Kontinuitäten und Veränderungen von Toni Sailer in den späten 1950er-Jahren bis zu seinen späten Nachfolgern Hermann Maier und Stephan Eberharter.

Roman Horak / Otto Penz

Abstracts

Sportsystem und Ausbildungskarrieren von SpitzensportlerInnen

Aufbauend auf Pierre Bourdieus Habitus-Konzept verfolgt der Aufsatz die sportlichen und schulischen Laufbahnentscheidungen von österreichischen SpitzensportlerInnen. Den Bezugsrahmen dafür bilden vier Sportarten – alpiner Skirennlauf, Skisprunglauf, Rudern und Judo –, die sich hinsichtlich ihrer Popularität und Vermarktung grundsätzlich voneinander unterscheiden. Diese strukturellen Gegebenheiten beeinflussen die habituellen Handlungsweisen der AthletInnen ebenso, wie die Geschlechtszugehörigkeit zu unterschiedlichen Karriere-Entscheidungen führt. So lässt sich u. a. belegen, dass in Sportarten, wo kaum ein ökonomischer oder symbolischer Profit erzielt werden kann, hohe Bildungsaspirationen vorherrschen, während SkirennläuferInnen die Ausbildung weit eher zu Gunsten der Sportkarriere zurückstellen. Insgesamt zeigen sich deutliche sportart- sowie geschlechtsspezifische Differenzen.

Alina Zachar

Abstracts

Symbole im Marathonlauf

Marathonlauf ist zunehmend zu einem Trendsport geworden. Vermutlich verbinden wir alle mit dem Wort Marathon zahlreiche Bilder und Assoziationen. In diesem Artikel möchte ich daher den Fokus auf Marathonlauf als Symbol legen. Im Besonderen geht es mir um die Sicht der LäuferInnen, die mittels qualitativer Interviews und deren Auswertung erhoben wurde. Wie verstehen und interpretieren sie Marathonlauf, welche Bedeutungen werden dem Marathonlauf zugeschrieben? Dabei geht es sowohl um manifeste als auch um latente Bedeutungen. Es ergibt sich ein breites Spektrum an oft gegensätzlichen Möglichkeiten, den Marathonlauf zu interpretieren. Das Faszinierende dabei ist, dass es Marathonbewerbe oft ermöglichen, Gegensätze gleichzeitig zu erleben, wie etwa Anpassung an gesellschaftliche Strukturen gegenüber Rebellion, Freiheit gegenüber Grenzen, hervorzustechen gegenüber durchschnittlich zu sein.

Gilbert Norden

Abstracts

Tennis in Österreich. Eine Prestigesportart im gesellschaftlichen Wandel

Orientiert an Bourdieus theoretischen Ansätzen zur Soziologie des Sports beschreibt und analysiert der Beitrag die Entwicklung des Tennis in Österreich von den Anfängen bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs und in den letzten drei Jahrzehnten. Die Untersuchung basiert auf historischem Quellenmaterial sowie auf Umfrageergebnissen, Vereinsstatistiken und einschlägiger Literatur. Es wird gezeigt, dass sich das Tennis zunächst als »Gesellschaftsspiel« der oberen sozialen Schichten entwickelte. Nur allmählich setzte sich die sportliche Seite des Spiels durch. Am Beginn und im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich das Tennis boomartig. Dabei lassen sich Versuche feststellen, den durch die Verbreitung der Sportart erzeugten Distinktionsverlust auszugleichen. Der Rückgang des Tennis um die Jahrtausendwende ist in Zusammenhang mit diesem Distinktionsverlust zu sehen.

Wolfram Manzenreiter

Abstracts

Sport zwischen Markt und öffentlicher Dienstleistung. Zur Zukunft des Breitensports in Japan

Volkswirtschaftliche Erwartungen werden auch in Japan an den Sport gehegt. Diese beschränken sich nicht auf den professionellen Bereich, sondern erfassen über sozial- und kulturpolitische Zielvorstellungen auch den Breitensport. Dieser Beitrag geht der Frage nach, unter welchen Rahmenbedingungen und mit welchen Konsequenzen der Staat und substaatliche Akteure auf lokaler Ebene bei der Verteilung öffentlicher Ressourcen für den Breitensport agieren. Besonderes Augenmerk wird der Etablierung einer am deutschen Vereinsgedanken orientierten Sportvereinslandschaft gewidmet, die zur Steigerung der im internationalen Vergleich niedrigen Sportbeteiligungsquote der Bevölkerung führen soll. Eine Auswertung von Experteninterviews und offiziellen Daten unterstützt die Annahme, dass zentralstaatlichen Versuchen einer von oben gesteuerten Breitensportpolitik in spätmodernen Gesellschaften enge Grenzen gesetzt sind.