Heft 2 / 2015: "offenes Heft"

Sonja Blum

Abstracts

Ausbau der Kinderbetreuung in Österreich: Regionale Unterschiede und politisches Lernen

In der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung wurde Österreich lange Zeit als Paradebeispiel des konservativen Regimetyps beschrieben. In diese sozialpolitische Verortung fügten sich auch die Bereiche der Familien- und Kinderbetreuungspolitik ein. So nahm Österreich bis weit in die 2000er-Jahre international eine Nachzügler-Position bei der Bereitstellung von Kinderbetreuung für unter Dreijährige ein. Seit 2008 implementierten Bund und Länder Ausbauprogramme und die Kinderbetreuungsquoten wurden signifikant gesteigert. Die regionalen Unterschiede innerhalb dieses Ausbauprozesses sind jedoch beträchtlich. Auf Grundlage einer Sonderauswertung der Kindertagesheimstatistik beleuchtet der Beitrag diese Unterschiede näher. Anschließend werden
konkrete Ausbauprozesse vor Ort untersucht und danach gefragt, welche Rolle hierbei politischem Lernen und den Überzeugungen der lokalen AkteurInnen aus Politik und Verwaltung zukommt. Dazu werden Ergebnisse aus explorativen Fallstudien herangezogen, die 2013 in sechs österreichischen Städten durchgeführt wurden. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass auf der lokalen Ebene große Gestaltungsspielräume in der Kinderbetreuungspolitik bestehen und den politischen Überzeugungen der handelnden AkteurInnen eine wichtige Rolle zukommt.

Childcare Expansion in Austria: Regional Variances and Policy Learning

Within context of the comparative welfare-state research, Austria has been described traditionally as a prime example of a conservative regime type. The areas of family policy and childcare policy do not deviate from this general characterisation. For example, regarding the provision of childcare for children under the age of three, Austria was lagging behind in international comparison, well into the 2000s. Since 2008, the central state and the nine federal states have initiated several
childcare expansion programmes and the provision levels for children under three-years-of-age have been significantly raised. However, there are decisive regional differences within this expansion process. This article investigates those regional variances, based on a special data extraction of the official childcare statistics. Later, the article also focuses on expansion processes at local levels and asks for the role of policy learning and the beliefs of local politicians and policy
workers. The analysis refers to explorative case studies, which were conducted (in 2013) in six Austrian municipalities. Results suggest that local political actors have an influence on childcare policies and that in this context their beliefs about childcare policy play an important role.

David F. J. Campbell

Abstracts

Verbesserungen und Reformvorschläge für Demokratiequalität in Österreich

Der Artikel setzt sich mit folgender Forschungsfrage auseinander: Welche Reformvorschläge für Österreichs Demokratie und Demokratiequalität lassen sich zur Diskussion stellen? Dafür beschäftigt sich die Analyse zuerst mit Möglichkeiten der Konzeptualisierung und Messung von Demokratiequalität im internationalen Vergleich. Theoretisch wird dabei von folgenden konzeptionellen Grunddimensionen für Demokratie ausgegangen: Freiheit, Gleichheit, Kontrolle und nachhaltige Entwicklung. Darauf aufbauend wird eine internationale Positionierung von Österreich versucht. Abschließend entwirft der Artikel Verbesserungsmöglichkeiten und
Reformvorschläge für Demokratiequalität in Österreich.

Possibilities for Improving and Reforming Quality of Democracy in Austria

The article focuses on the following research question: Which reform strategies can be proposed for democracy and quality of democracy in Austria? The analysis concentrates on possibilities and options of conceptualizing and measuring quality of democracy within an international framework of comparison. For this the theoretical point-of-departure is based on four conceptual basic dimensions of democracy: freedom, equality, control and sustainable development. This refers to
the attempt of introducing an international positioning of Austria. Finally, the article is interested in designing further possibilities of improvement and reform measures for quality of democracy in Austria.

Manfred Krenn

Abstracts

Einfacharbeit – Auslaufmodell oder stabiles Arbeitsmarktsegment? Zur Entmythologisierung der »Wissensgesellschaft« und daraus abgeleiteten Ausgrenzungsgefahren für gering Qualifizierte

Der Beitrag nimmt die aktuellen Diskurse um »Wissensgesellschaft«, Marginalisierung von Einfacharbeit und die Ausschlussgefährdung von gering Qualifizierten zum Ausgangspunkt, um diese kritisch zu hinterfragen und auf ihren Realitätsgehalt zu überprüfen. Dies wird auf der Grundlage einer Sekundäranalyse von Daten der Arbeitskräfteerhebung zur Verbreitung, Entwicklung und Struktur von Einfacharbeit in Österreich geleistet, wobei dieser Realitätscheck durchaus überraschende Ergebnisse zu Tage fördert. Etwa, dass in Österreich ca. 700.000 Arbeitsplätze existieren, die ohne berufliche Ausbildung zugänglich sind, denen aber nur rd. 545.000 PflichtschulabsolventInnen (Beschäftigte und Arbeitslose) gegenüberstehen. Des Weiteren diskutiert der Artikel die Frage nach einer lernförderlichen Gestaltung angelernter Arbeit als Möglichkeit, vorhandene und sich vertiefende soziale Ungleichheiten zu vermindern. 

Low Skilled Work – Obsolescent Model or Stable Labour Market Segment? On the Demythologization of the Knowledge-Based
Society« and its Consequences for the Social Exclusion of Low Skilled Workers

The article questions the dominant discourses on »knowledge-based society«, with the marginalization of low skilled work and the danger of social marginalisation of low skilled workers and their empirical evidences. The article argues on the basis of secondary analyses about labour force survey data on the development and structure of low skilled work in Austria, presenting surprising results. For instance, there are 700,000 jobs accessible without professional training certificates in Austria, but this is contrasted by only about 545,000 persons (either in an employed or unemployed status), who realized compulsory educational levels. Moreover, the article discusses the issue of a »learning-design« for low skilled work as a possibility to diminish existing, but also increasing social inequalities.

Sybille Reidl / Florian Holzinger

Abstracts

Väterkarenz aus Unternehmenssicht

Der Artikel analysiert auf Basis qualitativer Interviews mit UnternehmensvertreterInnen und Vorgesetzten von Karenzvätern, wie Organisationskulturen – manifestiert durch Rahmenbedingungen der Arbeit wie Arbeitszeit, Teilzeit, Überstunden und Stellenwert von Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – auf die Ausgestaltung von Väterkarenzen wirken. Unter den 15 untersuchten Organisationen lassen sich drei Typen von Organisationen mit entsprechenden Kulturen und Praktiken im Kontext von Väterkarenzen und Work-Life-Balance unterscheiden: 1.) Greedy organizations stehen Väterkarenz kritisch gegenüber und lassen sie nur zu, wenn sie nach den Bedürfnissen der Organisation gestaltet ist. 2.) Organisationen mit Tendenz zur greediness sind Väterkarenz gegenüber sehr positiv eingestellt, ermöglichen sie aber nur unter bestimmten, teils sehr restriktiven Bedingungen. 3.) Organisationen mit Work-Life-Balance-Ausrichtung
ermöglichen Väterkarenzen, die Väter nach ihren Bedürfnissen gestalten können.

Paternal Leave from the Perspective of Companies

working hours, part-time, overtime and the importance of reconciliation of work with private life – affect the design of paternal leave. The analysis is based on qualitative interviews with company representatives and supervisors of fathers who took paternal leave. Among the 15 organizations studied and in reference to paternal leave and work-life-balance, three types of organizations with specific cultures and practices can be distinguished: 1.) Greedy organizations see paternal leave critically and allow this only if it is designed in accordance with the needs of the organization. 2.) Organizations with a tendency to greediness favor paternal leave, but make this possible only under certain, sometimes very restrictive conditions. 3.) Organizations with a work-life-balance orientation support paternal leave, which then fathers can design according to their own needs.