Heft 2 / 2006: "offenes Heft"

Ulrike Kozeluh / Sigrid Nitsch

Abstracts

»Wählen heißt erwachsen werden!« Analyse des Wahlverhaltens Jugendlicher zwischen 16 und 18 Jahren bei der Wiener Landtagswahl 2005

Bei der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl im Oktober 2005 durften 16- bis 18-Jährige in Wien das erste Mal wählen. Die vorausgegangene Diskussion um die Wahlaltersenkung wurde kontrovers und auf Basis generalisierter Einschätzungen von Jugendlichen geführt. Politikverdrossenheit, politische Gleichgültigkeit und fehlende Werthaltungen waren Annahmen, die gegen eine Wahlaltersenkung sprachen. Unsere empirischen Ergebnisse zeigen, dass sich politische Gleichgültigkeit nicht auf das Interesse an politischen Fragestellungen bezieht, sondern auf die Parteien und Institutionenordnungen. Demgegenüber konnten hohe Ansprüche der ErstwählerInnen an den Wahlakt selbst festgestellt werden : Jugendliche schreiben ihm stabilisierende, legitimierende und die eigenen Werthaltungen bestätigende Kraft zu. Der Beitrag kommt zum Schluss, dass die frühe Einbindung von Jugendlichen in institutionalisierte Partizipationsverfahren, wie z. B. Wahlen, mit großer Wahrscheinlichkeit demokratische »WiederholungstäterInnen« heranwachsen lässt.

Rosmarie Nigg

Abstracts

Soziale Körper in Transformation. Eine empirische Untersuchung über Integration von ZuwanderInnen und Nachbarschaft in Wiener Gemeindebauten

Der Beitrag stellt auf Basis einer Diplomarbeit ausgewählte Ergebnisse einer qualitativen empirischen Untersuchung zu Nachbarschaftsverhältnissen und integrativen Möglichkeiten im Wiener Gemeindebau vor. Medien berichten, dass es zu erheblichen Spannungen zwischen alteingesessenen und neu eingebürgerten BewohnerInnen in Gemeindebauten kommt, allerdings gibt es dazu keine empirisch fundierten Forschungsergebnisse. Dieser Artikel möchte dafür einen kleinen Beitrag leisten. Ausgehend von theoretischen Befunden zur Beziehung von städtischer Sozial- und Raumstruktur informiert dieser Aufsatz anhand einer qualitativen Auswertung über die Sozial- und Interaktionsstrukturen in drei ausgewählten Gemeindebaukomplexen.

Kenneth Horvath

Abstracts

Die Spuren der Gastarbeit. Das schwierige Wechselverhältnis von sozioökonomischer Exklusion und soziokultureller Integration am Beispiel von TürkInnen in Ternitz

Zwei Themenkomplexe werden im migrationssoziologischen Zusammenhang immer wieder problematisiert : Phänomene der sozioökonomischen Exklusion (Ausschluss im Sinn von Ausgrenzung und Randständigkeit) und der soziokulturellen Integration von ZuwanderInnen. Diese stehen begrifflich in einem engen Wechselverhältnis, die genaue Form ihres Zusammenhangs wird aber ebenso selten thematisiert wie ihre gemeinsame Wurzel : die Gastarbeit der 1960er- und 1970er-Jahre. Am Beispiel von TürkInnen in Ternitz – einer altindustriellen Kleinstadt im südlichen Niederösterreich – sollen die Prozesse der Exklusion und Integration als Folgewirkungen der Arbeitsmigration beleuchtet werden. Beschrieben werden die intergenerationelle Entwicklung der Lebenslage, die Bildungsmobilität und die mit ihr verbundenen Interpretationsschwierigkeiten sowie die widersprüchliche Entwicklung des identifikativen Bezugs zur österreichischen Gesellschaft – so ist etwa die erste Generation dieser MigrantInnen deutlich stärker an österreichischer Politik interessiert als die Folgegenerationen. Abschließend wird gezeigt, wie sich Generationen-, Lebenslagen- und Periodeneffekte auswirken.

Claudia Schwarz

Abstracts

Der Event im Wohnzimmer. Die familiäre Aneignung der Casting-Show Starmania

Lassen sich in der familiären Rezeption von populären Unterhaltungssendungen Elemente gemeinschaftlicher Medienaneignung finden ? Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund des aktuellen Fernsehprogramms, das kaum mehr zielgruppenübergreifende Sendungen beinhaltet, die die ganze Familie ansprechen. Eine Analyse ethnographisch gewonnener Gesprächsdaten und Beobachtungen zur familiären Rezeption der Casting-Show Starmania deutet in diesem Artikel darauf hin, dass die konkrete Medienaneignung in der Familie vom Bildungsmilieu abhängt. Nur in den untersuchten bildungsstarken Familien kam es zu einer gemeinschaftlichen Aneignung der Casting-Show, indem diese als Familienevent inszeniert wurde. Die bildungsschwächeren Familien rezipierten im Gegensatz dazu die Sendung eher individuell. Kinder und Jugendliche nutzten die »medial vermittelten« Stars darüber hinaus als Hilfsmittel für Prozesse ihrer eigenen Identitätsfindung und zur sozialen Orientierung.