Heft 1 / 2021: "offenes Heft"

Ingrid Mairhuber / Christine Mayrhuber

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Der Gender Gap in Pensions in Österreich: Ursachen, Sichtweisen von Frauen und Veränderungsmöglichkeiten

Trotz hoher Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung und überdurchschnittlicher Frauenbeschäftigungsquoten hat Österreich mit 36,6 Prozent (2019) den viertgrößten Gender Gap in Pensions in der Europäischen Union. Der Beitrag analysiert anhand eines interdisziplinären Forschungsansatzes die Einflussfaktoren und Gründe für diesen außergewöhnlich hohen Pensionsnachteil in Österreich, der hauptsächlich von geringen Frauenerwerbseinkommen bestimmt ist. Weiters werden die Bedeutung und die Sichtweisen des hohen Pensionsnachteils für die betroffenen Frauen behandelt. Das festgestellte geringe Wissen über pensionsrechtliche Möglichkeiten engt die individuellen Handlungsmöglichkeiten von Frauen ein. Auf Basis der Zusammenschau der Ergebnisse beider Ansätze werden Maßnahmenvorschläge formuliert, um die eigenständige Absicherung von Frauen im Alter zu verbessern.

The Gender Gap in Pensions in Austria: Causes, Women’s Perspectives and Possibilities for Change

Despite high per capita output and above-average female employment rates Austria has the fourth largest gender gap in pensions (36.6 percent in 2019) in the European Union. Using an interdisciplinary research approach, this article analyses the determinants of this exceptionally high pension disadvantage in Austria, which is mainly driven by low female employment income. Furthermore, the perception of this high pension disadvantage as well as women’s individual options for action are being discussed. The low level of pension literacy narrows women’s individual options for action. Based on the results of both approaches, recommendations for an improvement of independent old-age provisions for women are further formulated.

Claudia Sorger / Nadja Bergmann

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Frauen mit Behinderungen in Wien: Ergebnisse eines partizipativen Forschungsprojektes

Ausgehend von den Ergebnissen eines partizipativen Forschungsprojektes zu den Lebenslagen von Frauen mit Behinderungen in Wien werden zentrale Problembereiche und Handlungsfelder beschrieben, die in Fokusgruppen mit unterschiedlichen Gruppen von Frauen mit Behinderungen erarbeitet wurden. Wesentlich waren zu Beginn des Forschungsprozesses vor allem die Diskussion und Definition der Begrifflichkeiten zum Thema Behinderung und die Auswahl der Gruppen mit einer Festlegung auf bestimmte Behinderungsarten. Der vorliegende Beitrag beschreibt den methodischen Zugang, die wesentlichen inhaltlichen Diskussionsergebnisse und die Schlussfolgerungen für weitere Forschung zu einem Thema, das noch viele Lücken aufweist und zu dem noch weiterer Forschungs-, vor allem aber Handlungsbedarf besteht. Eines der wesentlichen Ergebnisse des Forschungsprojektes war es, die Vielfalt der Lebenslagen, der Probleme und Potenziale von Frauen mit Behinderungen aufzuzeigen.

Women with Disabilities in Vienna: Results of a Participatory Research Project

Based on the results of a participatory research project, investigating the situation of women with disabilities in Vienna, this article describes and elaborates on main problem areas and action fields, which were developed by focus groups that comprised different arrangements of women having disabilities. At the beginning of the research process, essential were the discussion and the defining of disability as well as the selection of groups designated as having specific types of disability. The article describes the methodological approach, the significant discussion results, and the inferences for further research on a subject still containing many unaddressed issues, and for which a further need for more in-depth research and further action exists. One of the most important findings of the research project was the illustration of just how complex and diverse the existing situations, problems and the potentials of women with disabilities are.

Gerlinde Mauerer

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Work-Life-Balance und geschlechterspezifische Vorannahmen am Arbeitsplatz: Ergebnisse aus der empirischen Forschung zu Elternkarenzen in Österreich

Im Artikel werden Ergebnisse aus der empirischen Forschung zu Elternkarenzen in Österreich präsentiert. Sie zeigen, dass Eltern, die bestrebt sind, geschlechterspezifischer Ungleichheiten in der Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu beseitigen, gegen geschlechterspezifische Normierungen ankämpfen. Arbeitgeber*innen und Personen im sozialen Umfeld gehen nach der Geburt eines Kindes mehrheitlich nicht davon aus, dass sich Väter gleichberechtigt an Kinderbetreuung und -erziehung beteiligen werden. Männer in Elternkarenz werden daher als Ausnahmeväter betrachtet. Demgegenüber gelten Frauen, insbesondere wenn sie nach dem Mutterschutz wieder (Vollzeit) arbeiten wollen, als ungewöhnlich. Duale elterliche Aufteilungen von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung sind auf einer breiten gesellschaftlichen Ebene noch nicht umgesetzt. Vielmehr zeigt sich eine Verstärkung traditioneller, geschlechterspezifischer Ungleichheiten und Vorerwartungen an Männer und Frauen durch Elternschaft. Auswirkungen der Covid-19-Virus-Pandemie begünstigen diese Tendenz in der Sphäre der Erwerbsarbeit sowie in der Kinderbetreuung.

Work-Life-Balance and Gender Specific Assumptions at the Workplace: Empirical Research Results on Parental Leave in Austria

The article presents empirical research results on parental leave in Austria. The results show individual parental gains for dually reconciling work and family, and by decreasing gender inequalities in this area. However, at presence, men’s parental leave with a duration of six month or longer is still perceived as being exceptional. By contrast, mothers of infants, who are continuing their professional career after a maternity leave, especially in full-time employment, are rare, and this is seen to be unusual. Concluding, the empirical results show that the dual parental reconciliation of employment and childcare is still not implemented in a wider societal context. Likewise, this refers to the persistence of traditionally gendered stereotypes in the working sphere. Evidently, the Covid-19-virus-crisis reinforces gender inequalities in the labour market, concerning the reconciling of work and family, furthermore indicating the further promotion of an existing gender pay and childcare gap.

Vera Gallistl / Teresa Schütz / Theresa Heidinger / Franz Kolland

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„Warum bin ich jetzt auf einmal so alt?“ – Alltagsorganisation und aktives Alter(n) unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie

In modernen Gesellschaften wird von älteren Menschen ein hoher Grad an Aktivität und Produktivität erwartet – aktives Alter(n) ist vor diesem Hintergrund sowohl ein individuelles Ziel für viele ältere Menschen als auch eine gesellschaftliche Erwartung. Aktuelle Maßnahmen im Rahmen der COVID-19-Pandemie stellen allerdings grundsätzlich in Frage, inwiefern ältere Menschen aktiv am öffentlichen Leben teilhaben können und sollen. Der vorliegende Artikel nimmt aktives Alter(n) als gesellschaftliches Leitbild eines produktiven und erfolgreichen Alter(n)s als Ausgangspunkt und fragt danach, unter welchen Bedingungen aktives Alter(n) in den ersten Monaten der Corona-Pandemie möglich war. Dafür bezieht sich der Artikel auf die Perspektiven und Sichtweisen älterer Menschen, die mithilfe einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage und qualitativer Interviews in Niederösterreich erhoben wurden.

“Why am I Suddenly that Old”?Active Ageing and Everyday Life During the COVID-19 Pandemic 

In modern societies, elderly people are expected to be highly active und productive. Active ageing is both an individual goal for many elderly people as well as a societal expectation. Current measures in the context of the COVID-19 pandemic, however, fundamentally question the extent to which elderly people can and should actively participate in public life. This article takes active ageing as a model of a productive and successful ageing as starting point, and asks, under which conditions active ageing was possible in the first months of the Corona pandemic. For this purpose, the contribution draws on the perspectives and views of elderly people, which were collected via a representative survey and qualitative interviews in Lower Austria.

Barbara Pusch

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»Mein Leben in Österreich: Chancen und Regeln«: Die Rekonstruktion der Lernunterlage für Werte- und Orientierungskurse

Mit der steigenden Zahl von Asylanträgen im Jahr 2015/ 16 rückten in vielen europäischen Aufnahmestaaten Werte- und Orientierungskurse als zentrale Integrationsmaßnahme ins Zentrum der öffentlichen Debatte. So auch in Österreich. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern wurden diese Kurse in Österreich jedoch nicht für Geflüchtete geöffnet, sondern neu eingeführt. Damit wurden auch die Kursmaterialien speziell für diese Zielgruppe konzipiert. In diesem Beitrag wird das Kursbuch Mein Leben in Österreich: Chancen und Regeln«, das 2016 vom Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres herausgegeben wurde, rekonstruiert. Das intendierte Curriculum und die „Weltauslegung“ (Mannheim) der KursbuchproduzentInnen stehen hierbei im Mittelpunkt der Analyse. Damit wird verdeutlicht, wie die KursinitiatorInnen Geflüchtete sehen und was sie ihnen auf ihrem Weg in die österreichische Gesellschaft mitgeben möchten.

»My Life in Austria: Opportunities and Rules«: The Reconstruction of the Learning Material for Value and Orientation Courses

With the increasing number of asylum applications in 2015/ 16, value and orientation courses were regarded to represent a central integration measure in several European refugee-receiving-countries, and therefore moved to the center of public debate. This was also the case in Austria. However, in contrast to other European countries, these courses were not opened to refugees in Austria, but were newly introduced. This implied that the course materials were specifically designed to target these groups. The article here reconstructs the course book »My Life in Austria: Opportunities and Rules«, which was published by the Federal Ministry for Europe, Integration and Foreign Affairs in 2016. The analysis focuses on the intended curriculum of the course book and the “world interpretation “(Mannheim) of the course book producers. By doing so, I illustrate how the course initiators view refugees, and what they want to provide to them on their way into Austrian society.