Heft 1 / 2008: "Zeit(-Not): Lebenszeit vs. Arbeitszeit"

Uwe Engfer

Abstracts

Das Ende der Zeitnot – Veränderung der Zeitverwendung und der Zeitwünsche beim Übergang in den Ruhestand

Dass die Menschen in modernen Gesellschaften zunehmend unter Stress und Zeitknappheit leiden, wird als eine gesicherte Tatsache angesehen. Dieses Bild vom Alltag in modernen Gesellschaften muss jedoch möglicherweise modifiziert werden, sobald die gesamte Spannweite einer »Normalbiographie« in den Blick kommt. Schließlich erreichen mehr und mehr Menschen das Pensionsalter, und sie leben – nicht selten für Jahrzehnte – im Ruhestand. Wie bewerten diese älteren Erwachsenen ihre Zeitverwendung im Hinblick auf das Problem des Zeitdrucks? Sind sie in dieser Hinsicht nicht viel zufriedener als die Personen im mittleren Alter? Die im Artikel präsentierten Forschungsergebnisse bestätigen, dass dies tatsächlich der Fall ist. Daten der Zeitbudget-Erhebung des Statistischen Bundesamtes der Bundesrepublik Deutschland von 2001/ 2002 zeigen, wie sich die Struktur der Zeitverwendung und die subjektiven Indikatoren der Zufriedenheit im Übergang zum Ruhestand verändern. Vorgestellt werden Indikatoren aus den Bereichen Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Freizeit, Partnerschaft, Kinder und Freunde.

The End of Time Scarcity – Changes of Time Use und Time-Wishes in the Period of Transition to Retirement

It is widely accepted that individuals in modern societies increasingly experience feelings of stress and time scarcity. But from a perspective that takes into account the full range of a »normal« life cycle this picture of modern everyday life possibly should be modified. More and more people reach the age of pension and stay in retirement for decades. How do these older adults evaluate their time use concerning problems of time pressure? In this respect, are they more satisfied when compared with middle-aged adults? Research results discussed in this article show that this indeed is the case. Based on timebudget data, which were collected by the Federal Statistical Agency of Germany in 2001 and 2002, it is demonstrated how the structure of time use and indicators of satisfaction change during the period of transition to retirement. The presented indicators cover the time use in the life domains of professional employment, housework, leisure, partnership, children, and friends.

Eckart Hildebrandt

Abstracts

Arbeitszeitorganisation im Betrieb - Zu den Potenzialen von Langzeitkonten

Die traditionellen männlichen Lebensläufe mit ihrer institutionell abgesicherten Abfolge von
Ausbildung, Beruf und Ruhestand erodieren, verlieren an Orientierungskraft und Sicherheitsversprechen. Die Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen und Tätigkeitsstrukturen verlangt zunehmend individuelle Anstrengungen, um eine sinnvolle Tätigkeit, ausreichendes Einkommen und eine Balance von Arbeit und Leben zu erreichen. Zu den wenigen Instrumenten, die Flexibilität in der Erwerbstätigkeit mit sozialer Stabilität in einer neuen Weise kombinieren, gehören betriebliche Zeitkonten. Die breite Einführung unbegrenzter Langzeitkonten könnte ein wichtiger Baustein für eine neue, integrierte Lebenslaufpolitik sein. Im Artikel wird die Verbreitung und Ausgestaltung von Langzeitkonten dargestellt und geprüft, welche Problemlagen die Entfaltung ihres Potenzials behindern oder begrenzen.

Organisation of Working Time in Firms – the Potentials of Long-Term Working Time Accounts

The traditional male course of life, an institutionally supported sequence of education, profession and retirement, is eroding and provides no longer orientation and security. Increasingly flexible work contracts and job structures require more individual efforts from employees in order to achieve a desirable job, sufficient income and a work-life-balance. Firm-based working time accounts represent one of the few instruments that combine flexibility at work with social security in a novel way. A widespread dissemination of long term working time accounts could be an important step towards a newly integrated course of life policy. The article presents an overview of the dissemination and characteristics of long-term working time accounts and discusses the problems that constrain the full development of their potentials.

Beatrix Beneder

Abstracts

Das Mobiltelefon als Arbeitswerkzeug – Fallbeispiele aus der Baubranche und von WissensarbeiterInnen

Der Beitrag untersucht auf Basis von qualitativen Interviews den Stellenwert des Mobiltelefons im Berufsalltag von Beschäftigten der Baubranche und von WissensarbeiterInnen. Wird das Handy als Instrument der Beschleunigung bzw. Arbeitsverdichtung wahrgenommen? Welche individuellen Gestaltungsräume eröffnet das Mobiltelefon und welche Belastungspotenziale birgt ständige Erreichbarkeit? Theoretische Ansätze zur Flexibilisierung und Informatisierung von Arbeit und zum unternehmerisch agierenden »Arbeitskraftunternehmer« werden an die konkrete Handynutzung der Befragten rückgebunden. Das Mobiltelefon erweist sich demnach als ein »Entgrenzungsmedium« hinsichtlich Raum und Zeit, Berufs- und Privatleben. Es dient der Selbstdisziplin, zur Zeitgestaltung, Arbeitsplanung und emotionalen Selbststeuerung. Die vielfältigen Arbeitsunterbrechungen erleben manche Befragte als belastend und sehen bei mangelndem Selbstmanagement die Gefahr, in eine ineffiziente Kommunikationsspirale zu geraten.

The Mobile Phone as a Working Tool – Case Studies of the Building Industry and of Knowledge Workers

Based on qualitative interviews, the article explores the importance of the mobile phone for the professional life of employees in the building industry and of knowledge workers. Is it an instrument to accelerate and intensify work? Do mobile phones open up spaces of individual arrangements and which new pressures do result from continuous availability? Theoretical concepts of flexibilisation and informatization of work and of the «entrepreneurial employee« are linked to the specific mobile phone utilizations. The mobile phone proves to be a «medium of delimitation« that dissolves the boundaries between different spheres, such as time and space, work life and private life. It serves for self-management, time-arrangements, working task
organization, and for emotional self-control. Sometimes the manifold interruptions of work are considered as a stress and a lack of self-management can lead to a dangerous inefficient communication helix.

Ulrike Papouschek / Helene Schiffbänker

Abstracts

Was ist überhaupt Arbeitszeit? Arbeitszeit und private Zeit in den Wiener »Creative Industries« 

Die Erwerbsarbeit ist tiefgreifenden Umbrüchen unterworfen. Über Jahrzehnte etablierte Arbeitszeitstandards erodieren. Erwerbstätige müssen veränderte zeitliche Anforderungen bewältigen. Die »Creative Industries« – Kultur- bzw. Kreativunternehmen, die erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion und Verbreitung von kulturellen/ kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen, – sind als Analysefeld aus zwei Gründen interessant: Sie haben eine Vorreiterfunktion für die Veränderung von Arbeitszeitstandards und die Grenzen zwischen Arbeitsund privater Zeit sind bei kreativen Tätigkeiten schwer zu ziehen. Auf Basis von Forschungsergebnissen zu fünf Wiener Kreativwirtschaftsbranchen (Architektur, Design/ Grafik/ Mode, Film/ Rundfunk/ Video, Software/ Multimedia/ Internet und Werbung) wird der Bestimmung/ Definition von Arbeitszeit, den arbeitszeitlichen Anforderungen und deren Folgen für die private Zeit nachgegangen. Dabei werden drei unterschiedliche Umgangsformen mit entgrenzten Arbeitszeitanforderungen diskutiert.

How to Define Working Time? Working Time and Private Time in Vienna’s Creative Industries

Work and employment are fundamentally changing. Traditional standards of working time erode and employees are challenged by new demands. The »creative industries« represent an interesting area of analysis because, first of all, they are considered being a future model of working time standards and, second, it is difficult to identify boundaries between working and private time. Based on an empirical study of five subsectors of Vienna’s creative industries (architecture, design/ art/ fashion, film/ broadcast/ video, IT-services/ multimedia/ internet, and advertising), the article focuses on a definition of working time, working time demands, and their impact on leisure time. Three different ways of coping with de-limited working time demands are discussed.