Der vorliegende Artikel setzt sich mit österreichischer Behindertenpolitik auseinander. Er behandelt die Frage, welche nationalen und internationalen Kontexte und Einflüsse dieses Feld prägen, welche Faktoren und Kategorien die unterschiedlichen Entwicklungen im Politikfeld Behindertenpolitik bestimmen und wie das Spannungsfeld im Bereich von Behindertenpolitik strukturiert ist. Der Artikel ist als politikwissenschaftlicher Vergleich angelegt (Österreich, Schweden, USA), indem der Einfluss der USA und Schwedens auf österreichische Behindertenpolitik analysiert wird. Es wird herausgearbeitet, aus welchen historischen Gegebenheiten sich österreichische Behindertenpolitik entwickelt hat, wie sie gegenwärtig formuliert wird und welche zukünftigen Entwicklungen zu erwarten sind.
The article focuses on Austrian disability politics and policies. It places an emphasis on the effects of national and international contexts by analyzing factors and categories that shape the field of Austrian disability policy and examines, furthermore, also the involved tensions. The comparative framework of analysis includes disability policies and politics in the US, Sweden and Austria, and discusses their particular impacts on Austria. The article elaborates on the historical background, the status quo and possible future developments of disability politics and policies in Austria.
Der vorliegende Beitrag argumentiert, warum ein Vergleich des Umgangs mit behinderten Menschen in verschiedenen Gesellschaften fruchtbar ist. Wenn Behinderung eine sozial konstruierte Kategorie für die negative Bewertung bestimmter körperlicher und psychischer Eigenschaften ist, dann wirft dies die Frage auf, welche Auswirkungen das auf den gesellschaftlichen Umgang mit den betroffenen Individuen hat. Am Beispiel von Russland und Deutschland werden die jeweiligen Entwicklungslinien der Behindertenpolitiken vergleichend nachvollzogen und diese mit Ergebnissen einer vergleichenden Studie über Einstellungen zu Behinderung in diesen beiden Gesellschaften kontrastiert. Obwohl ein allgemeiner Wandel zur Anerkennung von behinderten Menschen als gleichwertige Mitglieder in beiden Gesellschaften vollzogen wird, lassen sich doch im gesellschaftlichen Umgang deutliche Unterschiede in der Implementierung erkennen.
The article argues in favour of a theoretically and empirically based comparison of societies according to their relationship to disability. If disability can be seen as a socially constructed category of negative evaluation of certain physical and mental characteristics, then the question raises, what are the impacts on how societies deal with disabled people. A comparison of disability policy development and of social attitudes towards disability and disabled people in Russia and Germany reveals a change in recognizing disabled people as equal citizens. But there are still crucial differences to what extent these changes are being implemented into society.
Mit Hilfe der Diskursanalyse untersucht der Beitrag folgende Fragen: Wie werden im massenmedial vermittelten Alltagswissen die Diskursgegenstände »Normalität« und »Behinderung« konstruiert? Wie werden Grenzziehungen gestaltet? Das empirische Material, das quantitativen Zählungen und qualitativer Kategorisierung unterzogen wurde, entstammt einem Internetforum über Bioethik. Im Ergebnis zeigt die Analyse, dass erstens die Sprecherposition »Wir Normalen« dominant ist. Zweitens wird der diskursive Gegenstand »Behinderung« als auffällig markantes Stereotyp, dagegen »Normalität« als Leerformel konstituiert. Drittens erweisen sich »das behinderte Kind« und »die Behinderten« als zentrale Begrifflichkeiten. Viertens enthüllt die Analyse zwei Diskursstrategien: Die eine Position bemüht sich um die Dichotomisierung von Grenzziehungen zwischen Behinderung und Normalität, die andere plädiert für eine Flexibilisierung. Insgesamt werden sowohl Kontinuitäten als auch Verschiebungen im aktuellen Behinderungsdiskurs sichtbar.
This article applies a discourse analysis of an online platform about bioethics. It uses methods of quantitative research and qualitative categorisation in order to examine the following questions: How does everyday knowledge, which is being communicated on the Internet, construct the discursive objects of »normality« and »disability«? How are the lines drawn? The article presents these findings: First, »we normals« proves to be the dominant mode of statement. Second, »disability« appears as a stereotype, and »normality« constitutes itself as an empty (meaningless) term. Third, »the disabled child« and »the disabled« define the key discursive terms. Fourth, the analysis distinguishes the following two discursive strategies: one position uses the approach of dichotomisation for differentiating between normality and disability; the other position pleads for a flexibilisation of boundaries. Ultimately, the analysis highlights trajectories and transformations of the contemporary disability discourses.
Der vorliegende Artikel versucht die Frage zu beantworten, wie es sein kann, dass bloß der nicht bzw. nicht vollständig gegebene Zugang zu akustischer Kommunikation für hörbehinderte (schwerhörige und gehörlose) Menschen zu massiven Benachteiligungen bezüglich Bildungs-, Berufs- und damit Lebenschancen führt. Aus der »realpolitischen« Perspektive der hörenden Mehrheitsgesellschaft ist die Antwort: Hörbehinderte Menschen besitzen entweder keine für den »normalen« gesellschaftlichen Wettbewerb ausreichende Kommunikationsfähigkeit oder fordern – verbunden mit dieser – sogar einen Status als Sprachminderheit, dessen Umsetzung enorme Kosten verursachen würde. Aus wissenschaftlicher Perspektive ergibt sich die Antwort, dass einflussreiche Gruppen einschlägig tätiger ExpertInnen über die Zusammenhänge von Sprache und Kognition entweder viel zu geringe Kenntnisse haben oder diese zugunsten gesprochener Sprache verfälschen.
This article looks for explanations of the following question: Why can a nonexistent or only partial access to acoustic communication constitute such a massive barrier for the hearing-impaired people, causing their discrimination in education, vocational training, and life chances? The reply is that from the viewpoint of the hearing majority of society most of the hearing-impaired people do not have a competence in communication, allowing them to compete with hearing people. In addition, hearing-impaired persons also demand for themselves the status of a language minority, which would cause enormous implementation costs. From a scientific perspective the answer is that experts of influential communities either have not a sufficient knowledge about the relationship of language and cognition or are biased in favour of spoken language.
Im österreichischen Schulwesen ist die Zuerkennung von sonderpädagogischer Förderung von der Feststellung einer physischen oder psychischen Behinderung abhängig. Ziel dieses Beitrags ist es, anhand statistischer und qualitativ erhobener Daten auf schichtspezifische, ethnisch-kulturelle und geschlechtsspezifische Disparitäten in der Population von SonderschülerInnen, in der so genannte lern- oder leistungsbehinderte SchülerInnen den größten Anteil haben, hinzuweisen und die Nachteile der gängigen Praxis von Sonderschulüberweisungen aufzuzeigen. Im schulischen Kontext werden sozial benachteiligte SchülerInnen zu SchülerInnen mit Behinderungen, ein Umstand, der für sie weitreichende negative Konsequenzen hat. Daher bedarf es inklusiver Strukturen im Bildungsbereich, die der Heterogenität der SchülerInnen besser gerecht werden und zur Beseitigung von Ungleichheiten im Bildungswesen führen.
In the Austrian educational system, the entitlement to special needs education requires a prior diagnosis of physical or mental disability. Drawing on statistical data and the results of qualitative empirical studies, this article identifies disparities of social class, ethnicity and gender in the population of students with learning disabilities. It highlights the inherent problem of labeling disadvantaged students with learning difficulties as disabled. There is a need for introducing inclusive educational measures in order to meet the requirements of a diverse pupil population and to overcome inequalities of the educational system.
Ein vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) gefördertes Forschungsprojekt am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien versucht, Partizipationserfahrungen von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung zu erfassen, die sich an der Nahtstelle zwischen Schule und Beruf oder bereits im Arbeitsleben befinden. Neben der in Österreich für diese Personengruppe erstmals durchgeführten bundesweiten quantitativen Erhebung (Übergangsverläufe von der Schule in den Beruf und Strukturdaten für den Arbeitsmarkt) zielt das Projekt primär auf die Rekonstruktion der Perspektive der Betroffenen mit qualitativen Methoden. In einer Längsschnittstudie werden auf Basis der Grounded Theory Daten zu den Erfahrungen in beiden Gruppen (Jugendliche und junge Erwachsene in der Übergangsphase sowie bereits im Arbeitsleben Stehende) bearbeitet. Mit der Einbeziehung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in die Interpretation und Validierung qualitativer Daten durch eine Referenzgruppe leistet das Projekt einen Beitrag zur Methodenentwicklung im Bereich partizipativer Forschung.
A research project at the Department of Education and Human Development at the University of Vienna, financed by the Austrian Science Fund (FWF), tries to assess participation experience of persons with intellectual disabilities who are either at the interface of school and occupation or who are already integrated into the labour market. Besides a first nationwide collection of structural quantitative data concerning the transition phase of school to working life and of the labour market opportunities for persons with intellectual disabilities, the investigation focuses on reconstructing possible perspectives. A qualitative longitudinal study with two groups, of youths and young adults in the transition phase and of occupationally integrated persons, analyses the particular participation experiences, based on a grounded theory approach. By including persons with intellectual disabilities into processes of interpretation and validation of qualitative data via a reference group, the project contributes to a methodology development in the area of participatory research.