Heft 3 / 2010: "Kultur lernen in Zeiten der Globalisierung"

Hakan Gürses

Abstracts

Kultur lernen: auf der Suche nach dem eigenen Ebenbild? Philosophische und politiktheoretische Überlegungen zur Kulturalität

In diesem Beitrag wird die Frage gestellt, ob »Kultur lernen« ohne Projektion des eigenen kulturellen Selbstverständnisses auf das zu Erlernende möglich ist. Zunächst beschreibt der Autor den »cultural turn« (die kulturelle Wende) in den Sozial- und Kulturwissenschaften, um die Aktualität interkultureller Lernkonzepte (interkulturelle Bildung und interkulturelle Kompetenz) und die Kritik daran zu erklären. Ein alternatives Konzept der Interkulturalität wurde seit Ende der 1980er-Jahre in der Philosophie ausgearbeitet. Nach einer kurzen Skizze von ausgewählten Ansätzen und Thesen interkultureller Philosophie schlägt der Autor abschließend das Konzept der »Kulturalität« als eine gesellschaftskritische Perspektive vor, die »Kultur lernen« in Frage stellt.

Cultural Learning: In Search of the Own Image? Philosophy and Political
Theory Reflections on Culturality

The article focuses on the possibility of a »cultural learning« without a projection of the own cultural self-conception on the subject of learning. At first, the author describes the »cultural turn« in the social and cultural sciences, thus explaining current intercultural conceptions of learning (intercultural education and intercultural competence), but also the critique of these. In philosophy, an alternative concept of intercultural thinking has developed since the late 1980s. After presenting a short overview of selected approaches and propositions of intercultural philosophy, the author suggests the concept of »culturality« as a perspective for social criticism that, in the end, challenges »cultural learning«

Margret Steixner

Abstracts

»Kultur lernen« durch interkulturelles Training und Coaching – eine kultur- und lerntheoretische Auseinandersetzung mit den Methoden der interkulturellen Kompetenzentwicklung

Interkulturelle Kompetenz ist ein Kernelement des beruflichen Erfolgs innerhalb der globalisierten Arbeitswelt. Auch wenn der Bedarf an diesen Fähigkeiten offensichtlich ist, besteht weiterhin eine große Unklarheit über die Methoden der interkulturellen Kompetenzentwicklung. Die lerntheoretischen Hintergründe des Erwachsenen-Lernens werden häufig zu wenig konsequent auf das Feld der interkulturellen Kompetenzentwicklung angewandt. Um interkulturelle Kompetenz in einer nachhaltigen Weise entwickeln zu können, ist es nötig, interkulturelles Training und Coaching so zu kombinieren, dass diese Entwicklungsmaßnahmen eine praxisrelevante und umfassende Form der interkulturellen Kompetenz ermöglichen. Wie diese Kombination aussehen kann, wird in diesem Artikel untersucht und mit lerntheoretischen Überlegungen untermauert.

»Cultural Learning« by Means of Intercultural Training and Coaching –
A Discussion on Theories of Culture and Learning and of their Impact on Methods of Intercultural Competence Development 

Intercultural competence defines a key element of success in a globalised world of employment. But despite the obvious need for such capabilities, there still is a great deal of confusion about methods of intercultural competence development. For a further enhancement of the existing methods of intercultural competence, learning theories and theories about adult learning should to be taken into account. A sustainable development of intercultural competence demands that training and coaching should be combined in way, allowing for an intercultural competence in holistic and practical terms. This article demonstrates how such a combination may be designed, based on considerations of learning theories.

Erol Yildiz

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Die Öffnung der Orte zur Welt und postmigrantische Lebensentwürfe

Im Mittelpunkt des Beitrags stehen MigrantInnen der zweiten und dritten Generation, die den Migrationsprozess nicht selbst erfahren haben, sich in ihrem Alltag und ihren Lebensentwürfen aber damit auseinandersetzen. In ihren transnationalen Bezügen verkörpern sie die »Öffnung der Orte zur Welt« und die damit einhergehende Kosmopolitisierung des Alltags. Es sind »postmigrantische« Rekonstruktionen und Strategien, in denen Zwischenräume, Überschneidungen und simultane Zugehörigkeiten den Blick auf eine neue »Dynamik der Enträumlichung« richten und ein anderes Verständnis von Migration herausfordern. Konkrete biographische Beispiele von Jugendlichen zeigen, dass ihre Verortungsstrategien weit über das Lokale hinausreichen. Dabei verändern sich auch kulturelle Orientierungen und deren Bedeutung für biographische Entwürfe. Ihre kulturelle Praxis ist ein kreativer Akt, der eine besondere kognitive Beweglichkeit erfordert, nationale Denkmuster in Frage stellt. Das Alltagsleben in einer globalisierten Welt wird zum Experimentier- und damit zu einem (kulturellen) Lernfeld: Migration ist Bewegung und Bewegung heißt Bildung.

The Opening of Local Places to the World and Post-migrant Life Strategies

The focus of this article concentrates on migrants of the second and third generation, who did not experience the migration process themselves, but who deal with this in their everyday lives in multiple ways. In their transnational references, they represent the »opening of local places to the world« and express the associated cosmopolitanisation of everyday life, the discontinuities, overlaps and simultaneous connectedness. »Post-migrant« reconstructions and life strategies are embedded into world-wide communication and a cosmopolitan pluralisation of daily life. This »dynamic of a de-spatialisation« provokes even new perspectives on migration. Biographical examples of young people demonstrate that their strategies of a positioning go far beyond the local. In such processes, cultural orientations and their significance for biographical drafts are shifting. Their cultural practice is an act of performance, requiring a specific cognitive flexibility that puts into question the national paradigm. Everyday life in a globalized world becomes a field for experimentation and (cultural) learning: migration is movement and movement means education.

Ursula Karl-Trummer / Sonja Novak-Zezula / Astrid Glatz/ Birgit Metzler

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»Zweimal ›Bitte?‹, dann hat die keine Geduld mehr und schimpft sie schon« – kulturelle Lernprozesse zur Integration von migrantischen Pflegekräften

Der Artikel schildert Erfahrungen im Zusammenhang mit »Kultur lernen« in Integrationsprozessen, die migrantische Pflegekräfte in österreichischen Kranken- und Pflegeeinrichtungen gemacht haben. Der Beitrag beruht auf zehn qualitativen Interviews. Leitende Fragen betreffen Erfahrungen bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt, bei der Aufnahme im Arbeitsumfeld, die erlebte Unterstützung von und Begegnung mit Vorgesetzten, KollegInnen und PatientInnen, und damit den Aspekt »kulturellen Lernens« in Integrationsprozessen. Der Artikel argumentiert, dass Integration asymmetrisch verläuft. Die Leistung »Kultur lernen« wird von migrantischen Pflegekräften gefordert, wobei Unterstützung der Organisation und/ oder durch Personen (KollegInnen, Vorgesetzte, PatientInnen) punktuell, zufällig und uneingefordert erfolgt. Mitgebrachte Ressourcen z. B. Sprache, werden ebenso punktuell genutzt, etwa für Gespräche mit PatientInnen, sind aber verpönt, wenn es um Sprachgebrauch im Behandlungsteam geht.

»Asking Twice ›Please?‹ is Enough to Make her Lose her Temper and to Shout at Me« – Processes of Cultural Learning for the Integration of Migrant Nurses

The article provides insights on integration experiences of migrant nurses in Austrian hospitals and nursing homes. Ten qualitative interviews were analysed that referred to integration experiences into the labour market and workplace; support from colleagues, superiors and patients; and aspects of »cultural learning« for integration processes. Results show that »cultural learning« is asymmetric, because demands on the migrant nurses are high, but with only little backing from the organisational structures. Support from colleagues, superiors, and patients occurs mostly only sporadic, by chance, and in informal contexts. Resources like language are also being used occasionally, e.g. for conversations with migrant patients, but are proscribed for professional communication in the care-giving teams.