Ziel des Beitrags ist es, eine historische Perspektive auf die Trauer im westlichen Kulturraum zu entwickeln und die darin wirkenden Trauernormen zu verdeutlichen. Den theoretischen Rahmen bildet das Konzept der Gefühlsnormen von Arlie Hochschild. Mit einer Verlagerung von Trauer aus der Gemeinschaft und Öffentlichkeit in die Privatheit – weitgehend losgelöst von festgelegten Ritualen und Praktiken – lässt sich ein historischer Wandel von Verhaltensnormen hin zu Gefühlsnormen im Rahmen einer Emotionalisierung der Trauer feststellen. Empirische Befunde einer Online-Befragung in der Schweiz und Deutschland verdeutlichen die gegenwärtigen Trauer normen und individuellen Erfahrungen im Erleben der Trauer. Die Ergebnisse geben u. a. Hinweise auf die Kontrolle von Trauergefühlen, die Schwierigkeiten, mit anderen über die Trauer zu sprechen und eine Unsicherheit im sozialen Umgang mit Trauernden.
The article adopts a historical perspective on grieving in Western culture and traces contemporary grieving norms. Arlie Hochschild’s concept of feeling rules provides the theoretical framework. As grieving has shifted from the community and the public sphere to private sphere – where it is no longer embedded in set rituals and practices –, we can also observe a historical shift from behavioral norms to feeling norms in the course of an emotionalization of grieving. Empirical
findings from an online survey in Switzerland and Germany elucidate contemporary grieving norms and illustrate individual experiences of grieving. The results indicate, among other things, how the emotions involved in grieving are controlled and what difficulties exist in verbalizing grief to others. They also point to insecurity in social interaction with those grieving.
Im Internet sind gegenwärtig vielfältige Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit Tod und Trauer sichtbar. Auf Onlinefriedhöfen ebenso wie in Trauerforen finden Trauernde scheinbar neue Ausdrucksmöglichkeiten. Wer aber kommuniziert in solchen Foren, über welche Themen und auf welche Art und Weise? Und wie stellt sich ihre Bedeutung im Prozess der Trauerbewältigung aus der Sicht von Trauernden dar? Ziel unseres Beitrags ist es, dies anhand einer Inhaltsanalyse von
Trauerforumsbeiträgen und qualitativen Interviews mit ForennutzerInnen zu klären. Die Ergebnisse zeigen, dass virtuelle Grabstätten samt ihren interaktiven Austauschmöglichkeiten 1.) vor allem für diejenigen von Bedeutung sind, die sich in ihrem Umfeld mit ihrer Trauer nicht aufgehoben fühlen, und dass diese 2.) Prozessen der sozialen, ästhetischen und religiösen Individualisierung von Trauer Rechnung tragen.
Many ways of dealing with death and grief currently become visible on the internet. In online cemeteries as well as in online forums, mourners seem to find new ways of expressing their grief. But which topics are discussed, in what way and who communicates within such portals? How relevant are these sites and what meaning do the virtual exchanges about experiences offer in the mourner’s perspective? The aim of our article is to clarify these questions on the basis of a content analysis of posts in a mourning forum and through qualitative interviews with its users. Results show that virtual graves as well as interaction with other bereaved people 1.) are especially important for those who do not feel accepted with their grief by their social environment, and 2.) to take the process of social, aesthetic and religious individualisation of mourning into account.
Die Thematisierung und Bewältigung des Todes sind mit die frühesten Leistungen von Gesellschaft. Üblicherweise wird im gleichen Atemzug Religion genannt. Sie stellt adäquate Deutungsmuster bereit, um den Tod mit Sinn zu belegen. Gleichzeitig muss man damit rechnen, dass in unserer hochsäkularisierten Gesellschaft bei Weitem nicht alle sozialen Gruppen religiöse Vorstellungen teilen und diese teilweise sogar ablehnen. Anhand von Gruppendiskussionen möchte ich zeigen, wie diese Gruppen unter Auslassung religiöser Bewältigungsstrategien den Tod allein unter Bezugnahme auf alltagsweltliche Probleme und Sorgen betrachten und bewältigen. Die Rekonstruktion dieser Perspektiven zeigt – in Gegenüberstellung zu religiösen Deutungen – zwei Umgangsweisen auf, in denen die Konfrontation mit dem Tod einerseits zu fatalistischen Bemerkungen über die aktuelle Welt beziehungsweise andererseits zu pragmatisch-szientistischen
Nutzenabwägungen über den eigenen toten Körper führt.
The thematisation and coping with death are one of the earliest attainments of society. Usually this is mentioned in one breath with religion, which holds adequate patterns of interpretation at ready in order to attach meaning to death. At the same time, one must take into account that in our highly secularized society by far not all social groups share religious notions and partially even reject them. On the basis of group-discussions, I want to show how these groups – by omitting religious strategies – regard and cope with death only in reference to problems and worries about everyday life‘s world. In contrast to religious interpretations, the reconstruction of these perspectives will reveal two approaches. The one results in fatalistic remarks about today‘s world. The other leads to a pragmatical and scientistic weighing of advantages of the own dead body.
Auf der Grundlage einer quantitativen Erhebung stellt dieser Beitrag das derzeitige Bild der Bestattungskultur in Deutschland dar und erklärt es als Abbild gesellschaftlicher Veränderungen. Befragt wurde eine Auswahl deutscher Bestattungsunternehmen. Aus methodentechnischen Gründen konnten nicht christliche Bestattungen, etwa muslimische, nicht untersucht werden. Es wird begründet, dass Formen und Wandel der Bestattungskultur »soziale Konstruktionen« und somit ein soziologisches Thema sind. Die Vielfältigkeit der gegenwärtigen Formen und Rituale der Bestattungskultur spiegelt gesellschaftliche Entwicklungstrends wider. Voranschreitende Säkularisierung, Rationalisierung und Ökonomisierung gehen einher mit Prozessen der Prekarisierung, Enttraditionalisierung, Individualisierung, Ästhetisierung der Alltagswelt und der Herausbildung neuer Lebensstile und Milieus. Dies zeigt sich in einer neuen Vielfalt und Polarität der Bestattungskultur: Aufwandsreduzierte, minimalistische Formen, die aus kritisch-konservativer Sicht eine »Entsorgungsmentalität« darstellen, stehen solchen gegenüber, die soziale Positionen und geschmackliche Dispositionen repräsentieren.
Based on a quantitative research project, the article illustrates current funerary culture in Germany. Due to methodical reasons, burials other than Christian, such as Muslim burials, are not included in the study. The article argues that forms and changes of funerary culture are social constructions, and as such a sociological topic. Diverse forms and rituals of funerary culture reflect major current trends in social development: secularization, rationalization, economization accompanied by processes of casualization, detraditionalization, individualization, aestheticizing of everyday life, new lifestyles and milieus. These manifest themselves in a new diversity and polarity: minimalistic forms, which are criticized to represent an »Entsorgungsmentalität«, are being opposed by forms that perform social positions and aesthetic preferences.