Heft 4 / 2016: "offenes Heft"

Jürgen Figerl / Rudolf Moser / Dennis Tamesberger

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»Magisches Vieleck« der Arbeitsmarktpolitik. Ein Vorschlag für eine humane und ökonomisch vernünftige Perspektive

Aktive Arbeitsmarktpolitik als ein bedeutendes sozial- und wirtschaftspolitisches Handlungsfeld hat mehrere Ziele und Interessengruppen zu vereinen. In der alltäglichen Debatte sowie auch offiziell im Arbeitsmarktservicegesetz werden meist die Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt und die Senkung von Arbeitslosigkeit als Ziele angegeben. Der Artikel schlägt einen erweiterten Zielkanon im Sinne eines magischen Vieleckes für aktive Arbeitsmarktpolitik vor. Hierbei charakterisiert sich eine humane und ökonomisch vernünftige Arbeitsmarktpolitik durch eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen. Vor diesem Hintergrund werden zentrale Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Österreich (Eingliederungsbeihilfe, Qualifizierungsmaßnahmen, sozialökonomische Betriebe und gemeinnützige Beschäftigungsprojekte, Beratungs- und Betreuungseinrichtungen) auf Mikro- und auf Makroebene evaluiert. Es wird gezeigt, dass Qualifizierungsmaßnahmen in der Lage sind, die meisten Ziele zu vereinen.

»Magic Polygon« of Labour Market Policy. A Proposal for a Human and Economic Prudent Perspective

For active labour market policy to succeed as a central social and economic policy field, it must address a diverse array of interest groups. However, the current public debate and the official law of public employment services focuse only on reintegrating unemployed and on reducing the overall unemployment. This article offers a broader target catalog for active labour market policy in the sense of a »magic polygon«: A human and economically prudent active labour market policy is characterized by a fair balance between the interests of workers and employers. Through the lens of this target catalogue, this article aims to evaluate central instruments of an active labour market policy (wage subsidies, qualification measures, socioeconomic businesses, non-profit employment projects, consultants and care institutions) on a micro-level and a macro-level. Finally, the article shows that qualification measures are able to combine most of the aims.

Eva-Maria Schmidt / Irene Rieder

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Alles eine Frage des Geldes? Elterliche Legitimierungsmuster bei der Organisation und Verwirklichung der Karenzzeit

Der Übergang zur Elternschaft zieht bis heute eine ungleiche und geschlechtsspezifische Aufteilung von bezahlter Arbeit und Kinderbetreuungsarbeit nach sich. Die Erwerbsunterbrechung von Eltern und der damit einhergehende Einkommensverlust werden in Österreich von staatlicher Seite finanziell unterstützt, wobei Eltern vielfältige Möglichkeiten der Nutzung von Kinderbetreuungsgeld und Elternkarenz haben. Dieser Beitrag untersucht, wie Mütter und Väter vor und nach der Geburt ihres ersten Kindes die Organisation ihrer Karenzzeit legitimieren; unabhängig davon, ob und wie sie diese aufteilen. Auf Basis einer qualitativen Längsschnittstudie (66 Interviews mit Müttern und Vätern zu drei Zeitpunkten) werden vier zentrale Legitimierungen identifiziert: ökonomische, erwerbszentrierte, kindzentrierte und rollenspezifische Legitimierungen. Die daraus resultierenden Legitimierungsmuster und die geschlechtsspezifischen Differenzierungen zeigen die Wirkmächtigkeit sozialer Normen auf.

All About the Money? Parents’ Justification Patterns Behind their Parental Leave Arrangements

Research considers the transition to parenthood as one of the key transitions in reinforcement of unequal and gendered divisions of labour between women and men. In Austria, parents are provided with an optional and flexible system of parental leave and childcare benefits during this time of income loss. The article at hand thus analyses how mothers and fathers before and after the birth of their first baby justify and rationalize their arrangement of parental leave, no matter if they share parental leave and childcare benefits or not. The analysis is rooted in a qualitative longitudinal study, where 66 interviews with mothers and fathers at three time points were conducted. As a result, four central rationales and aspects of justification were identified: economic, employment-centered, child-centered and parental role-specific. In combination with each other, justifications of couples can be characterized by specific patterns that are strongly underpinned by powerful social ascriptions of gendered differences between mothers and fathers.

Marina Einböck / Manuela Wade

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Was uns beim Blick auf Kinderarmut noch fehlt. Überlegungen zu den Ergebnissen einer qualitativen Studie in zwei österreichischen Gemeinden 

Armut von Kindern drückt sich nicht nur in materiellem Mangel, sondern auch in einem begrenzten Zugang zu öffentlichen Ressourcen, in sozialer Ausgrenzung und in emotionalen Belastungen aus. Dynamiken von Inklusion und Exklusion gehören daher ebenso in eine Analyse von Kinderarmut einbezogen wie die Auswirkungen von Armutslagen auf die Handlungschancen von Kindern und auf deren weitere Entwicklung. Die Kinder selbst sind aktiv Handelnde, die eine Bandbreite an Strategien entwickelt haben, um mit materiellen Notlagen umzugehen. Im Rahmen einer qualitativen Studie in zwei österreichischen Gemeinden wurden die Sichtweisen der Kinder in den Mittelpunkt gestellt. Die Ergebnisse zeigen neue Herausforderungen für die Entwicklung von Indikatoren, um Kinderarmut als eigenständiges Phänomen erfassen zu können.

What We Still Miss in Our Perception on Child Poverty. Considerations Following Results of a Qualitative Study in Two Austrian Communities

Child poverty does not only show itself in material deprivation, but also in limited access to public resources, social exclusion and in emotional stress. Dynamics of social inclusion and exclusion have to be considered in analyses on child poverty as well as the consequences of a poverty situation on future options of children and their further development. Children should be seen as active agents, who have developed a broad scope of strategies to deal with material deprivation. In a qualitative study, conducted in two Austrian communities, the children’s perceptions were put in focus. The results show further challenges in the development of indicators, when capturing child poverty as a discrete phenomenon.

Silvia Dallinger

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Prinz Eugen und Türkenkugel – Die osmanischen Belagerungen und ihre Wiener Denkmäler zwischen unsichtbarer Existenz und sinnstiftender Präsenz

Rund 150 Denkmäler erinnern in Wien an die beiden sogenannten »Wiener Türkenbelagerungen«. Über Jahrhunderte wurde und wird insbesondere die zweite osmanische Belagerung Wiens 1683 als Ende einer langjährigen Bedrohung durch »den orientalischen Anderen« aufgegriffen und aktualisiert. Ziel des Artikels ist es, vermeintlich objektive und allgemeingültige Geschichtsdarstellungen von 1683 aufzubrechen sowie deren soziale Konstruiertheit darzulegen. Durch einen präsentischen, auf die zeitgenössische Rezeption von »Türkendenkmälern« fokussierenden Zugang wird es möglich, neben vielfältigen Geschichtsversionen auch diverse konkrete, insbesondere alternative Ingebrauchnahmen des »Türkengedächtnisses« und seiner Denkmäler sichtbar zu machen. Damit wird gezeigt, dass 1683 nicht »nur« Geschichte ist, sondern auch zeitgenössisch zahlreiche Anknüpfungspunkte für verschiedenste Gruppen bereithalten kann.

Prince Eugene and Turkish Cannonball – The Ottoman Sieges and their Viennese Monuments between Unseen Existence and Meaningful Presence

There are about 150 monuments in Vienna, which commemorate the so-called »Turkish Sieges of Vienna«. Over hundreds of years these Turkish sieges, especially the second Ottoman Siege of Vienna in 1683, have been adopted and updated as the end of a long lasting threat by »the Oriental other«. The article aims at deconstructing allegedly objective and generally accepted representations of 1683 as well as wants to show their social constructedness. By using a presentist approach, i. e. one focussing on contemporary receptions of »Turkish monuments«, it appears possible to uncover manifold historical narratives as well as various concrete, especially alternative usages of the »Turkish commemoration« and its monuments. Thereby it can be shown that 1683 is not »only« history, but has the potential to offer several forms of identification for various groups.

Christiane Moser

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Gescheiterte Selbstständige in der Schuldenberatung

Gescheiterte Selbstständige stellen aufgrund ihrer überdurchschnittlich hohen Verschuldung sowie der damit einhergehenden Hürden für den Privatkonkurs eine spezielle Gruppe in der Klientel der Schuldenberatungen dar. Um diese zu analysieren, unternahm die ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich, in den Jahren 1998, 2003, 2008 und 2013 eine vergleichende Untersuchung dieser KlientInnengruppe. Dabei wurden Persönlichkeits- und Firmenmerkmale und deren Veränderung über den untersuchten Zeitraum hinweg abgefragt und beleuchtet sowie in den Kontext der allgemeinen Situation von Überschuldeten gestellt.

Failed Entrepreneurs in Debt Advice

Failed entrepreneurs, seeking help from the officially recognised debt advice centres, represent a special group, because of their higher-than-average indebtedness along with barriers to aspire to personal bankruptcy procedure. To study this group in detail, ASB Schuldnerberatungen GmbH, the umbrella organisation of the-by-state-approved debt adivce centres in Austria, carried out a long-term analysis in 1998, 2003, 2008 and 2013, showing developments in comparison. The studies focused on education, age structure and reasons for over-indebtedness as well as characteristics of entrepreneurship. The conclusions of these studies and long-term experiences with failed entrepreneurs were being analyzed in context of risks of over-indebtedness.