Vor dem Hintergrund der Empirie der Praxisforschungsverbünde »AMIQUS: Ältere Migrant(inn)en im Quartier – Stützung und Initiierung von Netzwerken der Selbstorganisation und Selbsthilfe« sowie »OPEN: Zur interkulturellen Öffnung der Pflegeberatung« werden Praxen eines gemeinsamen bedürfnisorientierten (Re-) Produzierens und / oder Nutzens von Gemein- bzw. Kollektivgütern (Communing) älterer Zugewanderter in Deutschland sowie ihre von einer Ökonomie des Teilens (Share Economy) geprägten Orientierungen und Handlungslogiken untersucht. Dabei zeigt sich, dass diese Praxen, Orientierungen und Handlungslogiken besonders bei noch in ihren Herkunftsländern subsistenzwirtschaftlich sozialisierten Zugewanderten verbreitet sind. Diese werden abschließend als Versuche interpretiert, den nicht eingelösten und unabgegoltenen Produktionsprinzipien der traditionellen Hausgemeinschaft und der Share Economy der Allmende in der Gegenwart Geltung zu verschaffen.
Against the background of the empirical research network »AMIQUS: Older Migrants in the Neighborhood – Support and Initiation of Networks of Self-Organization and Self-Help« and »OPEN: On the Intercultural Opening of Nursing Care Counselling«, the practices of a common needs-oriented (re-) production and/ or use of community and collective goods (communing) of older migrants in Germany are examined as well as their orientations and logics of action, which are characterized by an economy of sharing. It turns out that these practices, orientations and logics of action are especially widespread among immigrants, who are still socialized in their countries of origin in context of a subsistence-economic setting of experience. They are interpreted as attempts to enforce the not redeemed and unsatisfied production principles of the traditional household and the share economy of the commons in the present day.
Die gemeinsame Nutzung von Gegenständen und persönlichen Dienstleistungen mittels Online-Plattformen liegt im Trend. Die Sharing Economy als Ökonomie des Teilens wird vielfach als Hoffnungsträger für mehr soziale Verantwortung und nachhaltige Ressourcenschonung betrachtet. Unter den Dachbegriff fallen vielfältige gemeinschaftliche und gewinnorientierte Sharing-Economy-Plattformen, die sehr unterschiedliche Zwecke und Ziele verfolgen. Dieser Beitrag befasst sich mit dem Teilen privater Personen, sogenannter »Peers« (privater AnbieterInnen), die Güter oder Dienstleistungen mit anderen teilnehmenden »Peers« (privaten AbnehmerInnen) austauschen. Es wurden fünf unterschiedliche Peer-to-Peer-Online-Plattformen hinsichtlich ihrer Potenziale und Risiken unter Anwendung einer neoinstitutionellen Perspektive analysiert. Während es bereits seit jeher Nachbarschaftshilfen gibt, ermöglicht die Digitalisierung ressourcenschonende, orts- und zeitunabhängigere Nutzungsmöglichkeiten sowie vertrauensbildende Mechanismen bei fremden Menschen, wenngleich rechtliche Rahmenbedingungen nicht immer vorhanden sind. Problemfelder könnten somit am neuen Tausch- bzw. Vermittlungsmarkt entstehen, der gesamte Branchen und vorhandene sozialpolitische Rahmenbedingungen transformieren kann.
The common usage of things and personal services via online-platforms is trendy. The sharing economy is being contemplated as a new hope for more social and environmental responsibility. The notion of sharing economy is unifying several online-platforms, who act non-profit as well as a variety of profit-oriented business models across sectoral branches. This article is analysing five different peer-to-peer online-platforms under a neo-institutional perspective, concerning their chances and risks. Ever since there are existing common sharing practices, such as neighbourly-helping communities. The fast growing revival of the sharing economy, in the age of digitalization, enables resource-saving and time-independent possibilities and confidential mechanisms to share goods with foreign people via online-platforms, even if legal frameworks do not always exist. Problematic issues could emerge because of new intermediary markets, which are able to trans-form business sectors as well as social political frameworks.
Die 1994 gegründete Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) regelt auf der rechtlichen Grundlage des Internationalen Seerechtsübereinkommens (SRÜ) den Zugang zur wirtschaftlichen Nutzung des Meeresbodens durch die Vergabe von sogenannten Explorations- und Abbaulizenzen. Die Rolle und Funktion der IMB und ihrer quasi-legislativen Kompetenzen (Mining Codes) wird am Beispiel zentraler Rohstoffe illustriert und im Lichte künftiger Wirtschaftlichkeit und potenzieller Umweltrisiken diskutiert. Dabei geht der Beitrag auch auf den rechtlich verankerten Status des Tiefseemeeresbodens als »gemeinsames Erbe der Menschheit« (»Common Heritage of Mankind«) ein und verortet die Phänomene abschließend in der theoretischen Debatte zu Landnahme, Akkumulation durch Enteignung, Einhegung sowie Finanzialisierung der Natur.
The International Seabed Authority (ISA) was established in 1994, in order to oversee the exploration and exploitation of the deep seabed for minerals. The deep seabed is designated as a common heritage of mankind. The Authority acts on behalf of the international community. The respective article analyses the processes and procedures that apply to the powers conferred to the Authority, and also to what extent the exercise of these powers amounts to quasi-legislative activity (mining codes). Finally, it considers the theoretical implications of the ISA regime, especially under the aspects of land seizure and conquest, accumulation by dispossession, enclosure and financialisation of nature.
Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, aufzuzeigen, wie es der nahuatsprachigen indigenen Bevölkerung des mexikanischen Bezirks Cuetzalan (maseualmej) gelingt, sich Enteignungsprozessen, denen sie seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt ausgesetzt ist, zu widersetzen. Im Zentrum steht daher die Frage nach der Umsetzung und den Auswirkungen der mexikanischen »Modernisierungspolitik« als einer Politik der (versuchten) Enteignungen von Gemeinschaftsland und lokalen Wissensformen, vor allem aber auch die Frage nach den Reaktionen der Betroffenen. Es wird gezeigt, dass es den maseualmej gelingt, neue Formen von Gemeineigentum zu schaffen oder auch in immer wieder an die Gegebenheiten adaptierten Formen zu erhalten. Damit gelingt es ihnen auch, ihre besondere indigene Identität zu bewahren.
The article concentrates on how the Nahuat-speaking indigenous population of the Mexican district Cuetzalan (maseualmej) resists processes of dispossession. Dispossession of commons is a fact since the second half of the 19th century. One focus deals with the question, how the Mexican government implemented its »politics of modernization« as a politics of dispossessions of commons and of local forms of knowledge, and how the local communities reacted against this. It is shown that the maseualmej are able to create new forms of commons, respectively retain commons in adapted forms. By this, they manage to keep a distinct indigenous identity.
In der 2015 beschlossenen Migrationsagenda der EU wird »irreguläre Migration«, d. h. die Einreise bzw. der Aufenthalt ohne gültigen rechtlichen Status, vorwiegend unter der Zielsetzung diskutiert, diese zu verhindern. Das in der Europäischen Menschenrechtscharta festgeschriebene Grundrecht auf Gesundheitsversorgung ist für irreguläre MigrantInnen in der EU in einen Graubereich gedrängt. Derzeit gewährt eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten lediglich Zugang zur Notfallversorgung. Nach einem Überblick zu humanitären und ökonomischen Aspekten der Gesundheitsversorgung von irregulären MigrantInnen in der EU präsentiert der Artikel Analyseergebnisse einer Studie in vier EU-Mitgliedsländern zu ökonomischen Kosten der Versorgung von irregulären MigrantInnen: Dabei erfolgt ein Vergleich der Primärversorgung (allgemeine und direkt zugängliche Versorgung im niedergelassenen Bereich in einem frühen Stadium von Krankheit) mit der Versorgung von Notfällen im Krankenhaus, die aus Behandlungsversäumnissen entstehen. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass Inklusion in die Primärversorgung Notfälle verhindern und Behandlungskosten sparen hilft. Die Wahrung des Menschenrechts auf Gesundheit durch frühen Zugang zu Versorgung scheint sich damit auch als ökonomisch sinnvoll zu erweisen.
The European Migration Agenda 2015 places a focus on combatting irregular migration flows and to emphasize the early return of migrants without regular status, but does not give directives on how to and to which extent to provide basic health protection for irregular migrants while residing on European Union territory. Access to health care is enshrined as a basic human right in the European Charta of Fundamental Rights. However, a majority of EU member states complies with this by granting access to emergency care only. The article gives first an overview concerning humanitarian and economic aspects of health care for irregular migrants in the European Union, followed by results of a study in four European Union member states that compares economic cost analyses of primary care (general and direct access to treatment in the registered doctors’ sector in the early onset of illness) with emergency care treatment in hospitals. Results show that timely inclusion into primary care is cost saving compared to hospital treatment of emergency conditions. Ensuring the human right for health by allowing access to treatment in the early onset of illness seems to be reasonable, also in economic terms.