Im vorliegenden Beitrag werden Zusammenhänge zwischen Bildung und Antisemitismus erörtert, mit dem Ziel, Perspektiven einer erfolgreichen antisemitismuskritischen Bildungsarbeit aufzuzeigen. Dafür wird zunächst der Frage nachgegangen, inwiefern Antisemitismus ein »Bildungsproblem« darstellt. Danach erfolgt ein Überblick über die gegenwärtige Vermittlungsarbeit in Österreich zum Themenfeld Antisemitismus in Schule, außerschulischer Jugendarbeit und Erwachsenenbildung, der aufgrund der schlechten Datenlage notwendigerweise lückenhaft bleibt. Daraus werden einige Fallstricke in der Bildungsarbeit zum Thema Antisemitismus abgeleitet. Im Zentrum des Artikels stehen eine normative Definition antisemitismuskritischer Bildungsarbeit sowie Anregungen für die Praxis, die auch einen Exkurs zum islamisierten Antisemitismus enthalten. Der Beitrag zeigt auf, dass Bildung zwar nicht per se vor Antisemitismus schützt, eine Bildungsarbeit, die den Antisemitismus als strukturelles sowie individuelles Phänomen ernst nimmt, ihn im historischen Längsschnitt thematisiert und verschiedene Formen differenziert, jedoch maßgeblich zu seiner Reduktion beitragen kann.
This article discusses the relationship between education and antisemitism. The aim is to develop perspectives for a successful educational work against antisemitism. To this end, the question, to what extent antisemitism is a »problem of education«, is being explored. Afterwards, an overview of the current Austrian situation of instructions on the topic of antisemitism in school, youth work and adult education is presented, which unavoidably remains fragmentary, because of a lack of data. From this, some pitfalls in educational work on antisemitism are derived. The contribution focuses on a normative definition of antisemitism-critical educational work as well as on practical suggestions, which also include an excursus on islamized antisemitism. The article points out that education per se does not protect against antisemitism. However, educational work, which takes antisemitism seriously as a structural and individual phenomenon and addresses antisemitism in the historical longitudinal approach and differentiates between the various forms, can significantly contribute to a reduction of antisemitism.
In den 2000er-Jahren wurde Nanotechnologie im gesamten OECD-Raum zum Gegenstand staatlicher Förderprogramme. Im Politikfeld Nanotechnologie stechen zwei Charakteristika hervor: Erstens der internationale »Hype« um die Nanotechnologie, d. h. ihre durch überschießende Zukunftsversprechen geprägte diskursive Konstruktion, die massive Förderungen rechtfertigt und damit finanzielle, wissenschaftliche und Innovationsdynamiken antreibt. Zweitens fällt im Politikfeld Nanotechnologie die deutliche Präsenz von dialogischen Praktiken und Leitbildern teilnahmeorientierter Demokratie auf. So ist in der Literatur gar von einer »deliberativen« oder »partizipativen Wende« im Nanotechnologiefeld die Rede. In diesem Artikel wird diese Wende kritisch untersucht. Folgende Fragen werden diskutiert: Warum kommt es gerade in diesem Politikfeld zur Häufung partizipativ-dialogischer Praktiken? Und warum manifestiert sich dieser Trend etwa gleichzeitig in verschiedenen Ländern?
In the 2000s, nanotechnology became the subject of state funding programs across the OECD and beyond. In the nanotechnology policy field, two characteristics stand out: on the one hand, the international »hype« about nanotechnology, that is to say its discursive construction, characterized by excessive future promises and expectations that justify massive funding programs and drive financial, scientific and innovative dynamics. Secondly, specific features of the nanotechnology field are the prominence of dialogical practices and ideals of participatory democracy. The literature even talks about a »deliberative« or »participatory turn« in the nanotechnology field. The article critically examines this turn. The following questions are being discussed: First, why do we observe the proliferation of participative-dialogical practices specifically in this field? Second, why does this trend manifest itself in different countries at about the same time?
Persönliche Assistenz ist ein innovatives Konzept der Unterstützung behinderter Personen, das Nutzer*innen eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen soll. In Österreich wurde in den 1990er-Jahren die Implementierung des Konzepts von Aktivist*innen der Behindertenbewegung erkämpft. Ein flächendeckendes, den Bedürfnissen der Assistenznehmer*innen entsprechendes Angebot konnte bis heute jedoch nicht etabliert werden – trotz der diesbezüglichen Vorgaben der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UNBRK), die von Österreich bereits 2008 ratifiziert wurde. Der Artikel setzt sich zum Ziel, einen empirischen Beitrag zur Erforschung der Implementierung von Persönlicher Assistenz in Österreich zu leisten – und zwar in biographischer Perspektive. Dafür wird auf empirisches Datenmaterial zurückgegriffen, um biographische Relevanzen, Erfahrungen des Zugangs zu sowie Auswirkungen von Persönlicher Assistenz auf Selbstentwürfe von Assistenznehmer*innen in Relation zu Behinderung zu rekonstruieren. Die Ergebnisse werden schließlich im Lichte der normativen Vorgaben der UNBRK für Österreich diskutiert.
Personal assistance stands for an innovative model of support, interested in enabling users to practice a self-determined life. In Austria, personal assistance was established in the 1990s – as a result of the collective struggles of the disabled people’s movement. However, until today, there is no comprehensive system of supply of personal assistance – despite the demands of the UN-Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD), which was ratified by Austria already back in 2008. Employing a biographical perspective, this article aims to research the implementation of personal assistance in Austria, from the perspective of disabled persons. Relating to empirical data, biographical relevance of personal assistance, experiences of access and the impact of this type of support on the self of the users are being reconstructed. Results are discussed in relation to normative demands of the CRPD.
Umfragedaten zeigen für den Zeitraum 1993 bis 2016, dass sich die überwiegende Mehrheit der ÖsterreicherInnen der oberen gesellschaftlichen Hälfte zugehörig fühlt und diese Selbsteinschätzung häufiger geworden ist. Diesem Trend widersprechend sind im selben Zeitraum die Einkommens- und Vermögensungleichheit gestiegen sowie die Realeinkommen einiger Bevölkerungsgruppen und die Wahrscheinlichkeit gesunken, durch Bildung eine höhere soziale Position zu erlangen. Unter Bezugnahme auf klassische Schichtungstheorien und Konzepte der sozialen Vergleiche fragt der vorliegende Artikel deshalb danach, welche Faktoren die subjektive soziale Position der ÖsterreicherInnen beeinflussen. Die Analysen basieren auf repräsentativen Umfragedaten des Sozialen Survey Österreichs (SSÖ) und des International Social Survey Programmes (ISSP) sowie auf einer Probing-Studie. Unsere Befunde zeigen, dass klassische Schichtungsmerkmale zwar für die Einschätzungen der sozialen Position relevant sind, aber auch, dass vor allem sozioökonomisch benachteiligte Befragte das für sie günstigste Kriterium heranziehen und sich so eher höher einordnen. Dementgegen nivellieren sehr Vermögende ihre soziale Position nach unten, weshalb sich in Summe die Mehrheit der ÖsterreicherInnen der gesellschaftlichen Mitte zugehörig fühlt.
Survey data, for the period 1993 to 2016, show that the vast majority of the Austrians consider themselves as belonging to the upper half of society and that this self-assessment has become more prevalent over time. Contradicting this trend, income and wealth inequality have grown, and the real incomes of some population groups as well as the chances to reach a higher position through education have decreased. Drawing upon classical theories of stratification and concepts of social comparison, the article analyzes the determinants of the Austrians’ subjective social position. The analysis is based on representative survey data from the Social Survey Austria (SSOE) and the International Social Survey Programme (ISSP) as well as on a probing-study. Our results demonstrate that classical stratification criteria explain partially the subjective social position, but also that deprived respondents emphasize their »best« criterion in their ratings, whereas wealthy respondents level down their social position. Consequently, most of the Austrians consider themselves belonging to the middle strata of society.
Im Jahr 2012 erschien der dreibändige Roman »Fifty Shades of Grey«, der mit mehr als 150 Millionen verkauften Exemplaren schnell zum Weltbestseller wurde. Zentrale Fragen dieses Artikels sind, was die enorme Resonanz auf diese Roman-Trilogie bedeutet und ob der riesige Erfolg des Romans einen gesellschaftlichen sexuellen Wandel anzeigt. Die Sozialwissenschaften bieten mit den Konzepten des sozialen Konstruktionismus und der sexuellen Skripte plausible Erklärungsmodelle für solche gesellschaftlichen Veränderungen. Die in »Fifty Shades of Grey« dargestellte Sexualität enthält überwiegend sadomasochistische Inhalte. Sadomasochismus (SM) galt bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Perversion und war sehr tabuisiert. Pornographie, Filme, andere Medien und das Internet verbreiten zunehmend SM-Inhalte. Der große Erfolg des SM-Romans könnte ein Seismograph für diese kollektive Entwicklung sein.
In 2012, the three-volume novel »Fifty Shades of Grey« was published, which became quickly a world bestseller with more than 150 million copies sold. Central questions of this article refer to the meaning of the enormous response to this book, and whether the huge success of the novel indicates a sexual change. With the concepts of social constructionism and sexual scripts, the social sciences offer plausible explanatory models for such changes in society. The sexuality portrayed in »Fifty Shades of Grey« contains predominantly sadomasochistic content. Until the second half of the 20th century, sadomasochism was considered to represent a perversion, and being hugely tabooed. Nowadays, sadomasochistic content is increasingly spread by pornography, films, other media and the internet. The huge success of this sadomasochistic novel could be an indicator for such a collective development.
Sozialwissenschaftliche Datenarchive dienen weltweit als Infrastruktureinrichtungen, die empirische Sozialforschung unterstützen und organisieren. Mit AUSSDA – The Austrian Social Science Data Archive wurde 2016 eine solche Einrichtung in Österreich von einem Konsortium bestehend aus drei Universitäten gegründet. Der Beitrag illustriert die Vorteile und Angebote des Archivs für die Sozialwissenschaften in Österreich.
Social science data archives support and help in organizing empirical social research around the world. AUSSDA – The Austrian Social Science Data Archive is a new infrastructure initiative in Austria, founded in 2016 by a consortium of three universities, and for the purpose of establishing this level of support on a national level. The contribution illustrates the advantages and services of AUSSDA for the Austrian social scientific community.