Heft 1 / 2019: "offenes Heft" (SOLD OUT Print)

Hans Holzinger

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Dogma Wachstum. Eine kritische Würdigung der Sustainable Development Goals

Der Beitrag liefert eine Einschätzung der Sustainable Development Goals (SDGs) und der offiziellen Positionen der österreichischen Bundesregierung. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, ob und in welcher Form Ansätze eines Nachhaltigkeitspfades angedacht werden und ob Lebensstile der Suffizienz eine Rolle spielen. Die Frage wird im Beitrag mit Nein beantwortet. Die SDGs sind gegenüber den MDGs (Millenium Development Goals) ambitionierter. So wird nicht mehr von der Halbierung von Hunger und Armut gesprochen, sondern deren gänzliche Überweindung gefordert. Und in den Fokus rücken auch die Wohlstandsländer, etwa wann nachhaltige Produktions- und Konsummuster benannt werden. Der Wachstumspfad des Konsumkapitalismus wird jedoch nicht in Frage gestellt. Alternative Ansätze aus dem Süden wie „Post Development“ oder „Buen Vivir“ spielen ebenso wenig eine Rolle wie Ansätze aus dem Norden, etwa die Postwachstumsökonomie“ oder die „feministische Ökonomie“ oder die Denkrichtung der Suffizienz.

Dogma Growth. A Critical Appraisal of the Sustainable Development Goals

The article provides an assessment of the Sustainable Development Goals (SDGs) and of the official positions of the Austrian Federal Government. One focus refers to the question of whether and in what form approaches to a sustainability path beyond economic growth are being considered and whether lifestyles of sufficiency are playing a role. The question is answered with No in the article. The SDGs are more ambitious than the MDS (Millenium Development Goals). There is no longer a talk of only having hunger and poverty, but of overcoming them completely. And the focus also shifts to the affluent countries, for example, when sustainable patterns of production and consumption are name. However, the growth path of consumer capitalism is not being called into question. Approaches from the South, such as „post-development“ or „Buen Vivir“ play just as little a role as approaches from the North, for example the post growth economy or the feminist economy as well as the movement of sufficiency.

Julia Hofmann / Hilde Weiss

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Wie stabil sind die Klassen- und Vermögensverhältnisse? Empirische Analysen der ersten und zweiten Welle des Household Finance and Consumption Survey für Österreich 

Dieser Artikel befasst sich mit dem Vermögen in Österreich aus klassenanalytischer Perspektive. Basierend auf den Österreich-Daten des europäischen Household Finance and Consumption Survey (HFCS) werden private Vermögensbestände im Vergleich sozialer Klassen (anhand des Konzepts der Klassenlage von Erikson/ Goldthorpe/ Portocaraero) dargestellt. Es werden die Daten der ersten und zweiten Welle (Erhebungen 2010 und 2014) im Zeitvergleich präsentiert. Bei allen untersuchten Vermögenskategorien zeigte sich eine deutliche und stabile Dreiteilung in der gesellschaftlichen Hierarchie. In beiden Erhebungswellen wurden auch Einstellungen zum Reichtum – zu möglichen Ursachen und den Folgen „Großen Reichtums“ für die Gesellschaft und für die Demokratie abgefragt. Im Kontrast zu den starken Vermögensdifferenzen zeigen sich hier keine ausgeprägten Einstellungsunterschiede, doch tritt die Rechtfertigung von Reichtum in den obersten Klassen deutlich zutage, während in den unteren drei Klassen dazu keine einheitliche Haltung besteht.

How Stable are Class and Wealth Relations? Empirical Analyses of the First and Second Wave of the Household Finance and Consumption Survey for Austria

This article presents a class-analytical perspective on the accumulation of private wealth in the Austrian society. The study provides insights into the structures of social inequality, based on the concept of classes and elaborated by Erikson/ Gallthorpe/ Portocarero, and works with the Austrian data of the European Household Finance and Consumptions Survey(HFCS). The data of the first and the second HFCS waves (2010 and 2014) are arranged in a time comparison. In all capital assets being investigated, a threefold social strata division emerged, which is fairly stable over time. In the Austrian datasests of both waves attitudes concerning private wealth – its origin and societal consequences – are also available. By analysing these variables, we show that, in contrast to the harsh class differences in private wealth, there are no distinct class differences on the attitude-side. Only the justification of private wealth through individual merits, social contacts or heritage is more accepted in the higher social classes, while there is less of a consensus on these issues in the lower social classes.

Angela Wegscheider / Melanie Schaur

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Arbeit und Beschäftigung bei arbeitsmarktfernen Menschen mit Behinderungen in Oberösterreich 

In einer anwendungsorientierten und auf Oberösterreich bezogenen Studie wurden in vergleichender Perspektive die arbeitsintegrativen Aspekte der Leistungen des Oberösterreichischen Chancengleichheitsgesetzes „Berufliche Qualifizierung“, „Fähigkeitsorientierte Aktivität“ und Geschützte Arbeit“ untersucht. Der Artikel bezieht sich darauf, ob die normativen Anforderungen von Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention bei der Umsetzung der Leistungen erfüllt werden. Die Analyse der Beschäftigungsverhältnisse zeigt, dass Berufliche Qualifizierung, und eingeschränkt auch Geschützte Arbeit, den Vorgaben entsprechen. Bei Geschützter Arbeit und Fähigkeitsorientierter Aktivität gibt es kaum Durchlässigkeit, hinzu kommen mangelnder Sozialversicherungsschutz und unzureichende Bezahlung. Der Verdacht von Lohn- und Sozialdumping steht im Raum. Die Sozialverwaltung lässt mit ihren begrenzten Budgetmitteln den Trägerorganisationen kaum Spielraum.

Work and Employment of Persons with Disabilities Furthest Away from the Labour Market in Upper Austria 

We present a comparative and applied study regarding Upper Austria, examining the work-integrative aspects of the services „Vocational Training“, „Ability orientied Activity“ and „Sheltered Work“ specified in the Upper Austrian Equal Opportunity Act. The article looks on whether the normative requirements of Article 27 of the UN-Convention on the Rights of Persons with Disabilities are being fulfilled in the implementation in real practice. The analysis of the special employment arrangements shows that Vocational Training, and to some extent also Sheltered Work, are meeting the requirements. However, Sheltered Work and Ability-oriented Acitivty express hardly any transfer opportunities, with a lack of social insurance coverage and insufficient pay added onto the situation. There are grounds to assume that here wage dumping and social dumping are taking place. The social welfare authority, with its limited budget, leaves little scope for welfare service organisations; yet innovative practices can be identified.

Shila Nourzad

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Mit Individualisierung und der Integration von Wertvorstellungen zum Erfolg. Eine qualitative Fallanalyse österreichischer Nischenunternehmen 

Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie sich Unternehmenswachstum auf formale, soziale und kulturelle Unternehmensstrukturen und -ebenen von Nischenunternehman auswirkt, die durch Individualisierung, Spezialisierung und Konzentration charakterisiert sind. Dabei werden die Auswirkungen von Unternehmenswachstum auf die Entwicklungsprozesse zweier heimischer Nischenunternehmen analysiert und mit stark rationalisierten Unternehmensstrukturen, basierend auf Webers Theorie der Rationalisierung und Ritzers Prinzipien der McDonaldisierung, kontrastiert. Zentrales Ergebnis der qualitativen Fallanalyse ist, dass die Nischenunternehmen im Zuge ihres Wachstums ihre Werte zunehmend in die Unternehmensstrukturen integriert und rationalisierte Unternehmensstrukturen an die unternehmensspezifischen Gegebenheiten angepasst haben, um erfolgreich zu sein.

Being Successful with Individualization and Integration of Values. A Qualitative Case Study of Austrian Niche Companies

This article focuses on the effects of company growth on formal, social and cultural structures and levels of local niche companies, which are characterized by aspects of individualization, specialization and concentration. In particuuar, the development processes of two companies were analysed and compared with rationalized company structures, based on the rationalization theory by Max Weber and the principles of McDonaldization by George Ritzer. A central result of the case analysis is that the niche companies integrated their value system within the company structures and adapted rationalized company structures for their specific needs, so to be successful.

Christiane Atzmüller / Ulrike Zartler / Ingrid Kromer

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Online-Held*innen gibt es nicht? Was 14-  bis 19-jährige Jugendliche an Zivilcourage im Internet hindert

Jugendlich sind nicht nur Opfer und Täter*innen von Übergriffen im Internet, sondern besonders of auch unbeteiligte Beobachter*innen von digitaler Gewalt – sogenannte „Online-Bystander“. Obwohl Online-Bystander hohes Deeskalationspotenzial haben und den weiteren Konfliktverlauf entscheidend beeinflussen können, scheint Online-Zivilcourage für Jugendliche kaum bzw. kein Thema zu sein. Dieser Artikel geht daher der Frage nach, welche kontextuellen Besonderheiten von Online-Umgebungen das Interventionsverhalten von jugendlichen Online-Bystandernkennzeichnen. Erkenntnisse aus 19 Gruppendiskussionen mit insgesamt 142 14-bis 19-jährigen Wiener Jugendlichen geben (1) Aufschluss darüber, was Jugendliche daran hindert, sich online für andere einzusetzen, und liefern (2) notwendiges Grundlagenwissen dafür, wie Mobilisierung zu mehr Online-Zivilcourage gelingen kann, da alltägliche Assoziationen wie „Mut“ und „Heldentum“ aus Sicht der Jugendlichen nicht auf das Internet übertragbar sind.

Online Heroes Do No Exist? What Hinders 14- to 19-year-old Adolescents from Civil Courage on the Internet

Young people are not only victims and committers of online attacks, they are particularly often uninvolved observers of digital violence, i. e. online bystanders. Although online bystanders have a high potential for de-escalation and to decisively influence the further course of conflicts, only civil courage seems to be (almost) no subject of importance for adolescents. This article investigates, which contextual factors of online environments characterize the intervention behavior of juveniles as online bystanders. Findings based on 19 group discussions with 142 14-to-19-vear-old adolescents in Vienna (1) shed light on what prevents young people from standing up for others online, and (2) provide necessary knowledge about how the mobilization of adolescents for more online civil courage can succeed. The results refer to a field of conflicts in the meaning of civil courage in online environments, since – from the perspectives of young people – common associations like „braveness“ and „heroism“ are not easily transferable to the internet.