Angesichts vorhandener Leerstellen innerhalb der Solidaritäts-Debatte setzt sich dieser Beitrag das Ziel, eine Konzeption politischer Solidarität im Anschluss an Hannah Arendts und Chantal Mouffes politischer Philosophie zu entwickeln. Poltische Solidarität wird als kollektive Handlungspraxis der Selbstermächtigung verstanden, die auf Basis des kritischen Urteilens allgemeine Vorstellungen des Zusammenlebens in der Öffentlichkeit trägt und so den normativen Rahmen einer Gesellschaft auf den Prüfstand stellt. Dadurch kommt eine Pluralität von Praktiken politische Solidarität in den Blick, die in einem Kampf um das Allgemeine konflikthaft aufeinandertreffen und immer auch exkludierende Züge aufweisen. Abschließend stellen wir drei mögliche Kritikformen solidarischer Praktiken vor und betonen das konstruktive demokratische Potenzial einer Pluralität von politischen Solidaritäten.
In view of the existing gaps within the solidarity debate, this contribution aims to develop a concept of political solidarity by following Hannah Arendt‘s and Chantal Mouffe’s political philosophies. Political solidarity is being understood as a collective practice of self-empowerment, which, on basis of cirtical judgement, brings general ideas of human coexistence to the public, and thus puts the normative framework of society to the test. Thereby, a plurality of practicies of political solidarity comes into view, which clahses in a struggle for the general, and always shows excluding traits. Finally, we present three possible forms of criticisms of solidarity practices and stress the constructive potential of a plurality of political solidarities.
Solidarität in der Form sozialstaatlicher Unterstützung wird seit vielen Jahren politische herausgefordert und in Frage gestellt. Gerechtfertigt wird dies mit einer voranschreitenden Ablehnung des Sozialstaats durch die (österreichische) Bevölkerung. Diese Argumentationsfigur wird im vorliegenden Artikel anhand von Umfragedaten, erhoben kurz vor den Nationalratswahlen 2017, kritisch beleuchtet. Es wird herausgearbeitet, dass eine sozialstaatliche Entsolidarisierung von oben nicht auf eine breite Basis aufbaut, sondern sich selektiv auf einen gesellschaftlichen Ausschnitt mit spezifischen Weltbildern bezieht. So geht der Wunsch nach weniger sozialstaatlicher Solidarität auffällig häufig mit einer Sicht auf die Gesellschaft einher, die zwischen einem „Wirt“ und den „Anderen“ substanziell unterscheidet und autoritäre und neoliberale Positionen befürwortet. Die Frage nach den Wirkungen von Sozialstaatsarrangements auf die Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat wird unter Berücksichtigung der besprochenen Ergebnisse neu aufgeworfen
For many years now, solidarity in the form of welfare-state support is politically challenged and questioned. This is often justified by an increased rejection of the welfare state by the (Austrian) population. In this article that argment ist being critically analyzed by using survey data conducted shortly before the national assembly election of 2017. The article argues that the implemented reduction of welfare-state-support is not based on a broad social grounding, but that a policy of a reduced insitutional solidarity rather selectively refers to as certain segment of society incorporating specific worldviews. We further dicsuss how racialized, authoritarian and neoliberal ideas together promote requests for reduced solidarity. Considering the reported outcome, this raises further questions on the effect of welfare-state regimes on the attitudes towards the welfare state.
Ausgehend von den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte – ansteigende ökonomische Ungleichheit, Prekarisierung von Erwerbsarbeit, Individualisierung von sozialen Strukturen, Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche – untersucht dieser Beitrag dies Auswirkungen von Ungleichheit auf die solidarischen Einstellungen von ArbeitnehmerInnen in Österreich. Solidarität wird in drei Dimensionen erfasst und beinhaltet die Zustimmung zum Sozialstaat, Solidarität für gemeinsame Interessen und Solidarität für die Interessen anderer. Die Ergebnisse verweisen darauf, dass der Ungleicheit eine bedeutende Rolle im Hinblick auf das Ausmaß der Solidarität zukommt, wobei ökonomisches Kapitel, kulturelles Kapital und soziale Anerkennung mit jeweils unterschiedlichen Konsequenzen einhergehen.
Based on recent developments, i. e., increasing economic inequality, precarization of paid work and individualization of social structures, this article examines the effects of inequality on solidarity among employees in Austria. Solidarity is being captured in three dimensions, including acceptance of the welfare state, solidarity for common interests and solidarity for the interests of others. The findings suggest that inequality is significant to the extent of solidarity, with economic capital, cultural capital, and social recognition lack having different consequences.
Der Aufbau Solidarischer Ökonomien ist für eine sozialökonomische Transformation wesentlich. Jedoch steht die vorherrschende neoklassische Wirtschaftheorie einem adäquaten Verständnis Solidarischer Ökonomien entgegen. Dem Paradigma des kapitalistischen Unternehmens folgend, analysiert sie wirtschaftliches Handeln und soziale Beziehungen mit marktwirtschaftlichen Kategorien. Der Artikel theoretisiert stattdessen Solidarische Ökonomien als eigenständiges Paradigma eines alternativen Wirtschaftens und sozialer Beziehungen mit Hilfe der Kategorie der Gabe. Solidarische Ökonomien sind Arrangements von Gabezyklen in den Formen zeitlich offener oder geschlossener Reziprozität, d. h. umfassender Solidaritätsbeziehungen oder stärker limitierter Beziehungen wechselseitigen Gebens und Erwiderns. Die Gabetheorie verbessert das kritische Verständnis kapitalistischer Verhältnisse und verweist zugleich auf Strategien zum Aufbau Solidaritscher Ökonomien in einer Perspektive der Wirtschaftsdemokratie.
Building up solidarity economies is crucial for a social-ecologal transformation. But the predominant neoclassical economic theory impedes an adequate understanding of solidarity economies. Following the paradigm of the capitalist company, this article analyzes economic activities and social relationships with market economy categories. It theorizes solidarity economies as a distinct paradigm of alternative economies and soical relationships centered on the category of the gift. Solidarity economies are arrangements of gift cyles within the modalities of temporally open-ended or closed reciprocy, i. e., comprehensive solidarity relationships, or more limitend relationships of mutual giving and return. The theory of the gift enchances the critical understanding of capitalist conditions and, at the same time, indicates strategic points of leverage for the development of solidarity econmies in an economic democrarcy perspective.
Mit dem Vertrag von Lissabon von 2009 sollte eine Neubegründung der Europäischen Union gelingen, basierend auf dem im Vertrag beschworenen „Geist der Solidarität“, der ein gemeinschaftliches Handeln ungeachtet der Diversität der Mitgliedsstaaten ermöglichen soll. Zum bestimmenden Begriff der bereits kurz nach Vertragsabschluss einsetzenden Schuldenkrise wurde jedoch die „Austerität“, während die „Solidarität“ in den Hintergrund trat. Dieser Artikel stellt daher die Frage nach Wesensgehalt und Grenzen der Solidarität und nähert sich den Antworten über eine Auseinandersetzung mit ordoliberalen Grundideen an, die gerade in der Eurokrise, auch aufgrund der gefühlten Dominanz Deutschlands, wieder in der Fokus der akademischen Debatten gerückt sind. Es entsteht dabei das Bild einer Solidarität, die ihr konstitutives Element in der Wirtschafsverfassung selbst hat und vor allen Dingen zur Einhaltung der Regeln verpflichtet. Sie scheitert am Versagen dieser Verfassung, gleichermaßen Wachstum und Wohlstand für alle zu schaffen..
Nevertheless, the re-foundation of the European Union was the aim of the Treaty of Lisbon in 2009. Based on the „spirit of solidarity“, which is addressed several times in the treaty text, a closer cooperation between member states is being envisaged despite their differences. But when shortly after the entry-in-force of the treaty of the European Union the debt crisis broke out, it was not solidarity, which took the front line, but the term „austerity“ became the core issue of debates. This article therefore scrutinizes the essence and limits of European solidarity and approaches the topic from the perspective of ordo-liberalism. This follows a renewed academic interest into this German economic philosophy, also because a German dominance was perceived during the crisis. Following this line, a concept of solidarity is being established, which finds its constitutive element in the economic constitution and establishes rule-abidance as the main obligation towards the community. This concept of solidarity founders with the failures of the ecomonic constitution to create growth and wealth for all.
Der Begriff der „Solidarität“ erfreut sich hoher Beliebtheit und wird zumeist im moralischen Wärmestrom von Werten und Tugenden, von sozialer Verantwortung, Gemeinsinn und Gemeinwohl verwendet. Dabei wird oft übersehen, dass er theoriegeschichtlich vor allem aus der französischen Soziologie des 19. Jahrhunderts stammt und von Comte und Durkheim geprägt wurde. Er beschreibt hier die Struktur des sozialen Zusammenhalts moderner Gesellschaften, der sich nicht länger der Religion oder Moral, sondern der kalten Prozesse einer arbeitsteiligen motivierten funktionalen Differenzierung verdankt. In der Zeit der Jahrhundertwende entwickelte die heute kaum noch bekannte sozialpolitische Reformbewegung des französischen Solidarismus, getragen von Autoren wie Alfred Fouillée, Charles Gide und Léon Bourgeois, dieses soziologische Solidaritätskonzept dann weiter zu einer modernen, spezifisch postliberal angelegten Theorie des republikanischen Rechts- und Wohlfahrtsstaates. Der Artikel plädiert für eine Wiederentdeckung dieser Theorietradition, deren Anregungspotenzial noch lange nicht erschöpft ist.
Talking about solidarity, enjoys high popularity, because the term seems narrowly connected with a certain normative head-flow looking for moral sources of threatend feelings of human unity and a sense of community. In this context, it is often being forgotten that solidarity originally has nothing to do with human virtue or moral feelings. In the history of ideas, the concept of solidarity had emerged in French sociology of the 19th century in social theories of Comte and Durkheim. In their writings the solidarity describes the structure of social cohesion in modern societies, nourished not any longer by religion or morals, but by cold functional differentiation due to intensive processes of division of labor. At the turn of the century the currently little known French social reform movement of solidarisme, carried by authors like Alfred Fouillée, Charles Gide and Léon Bourgeois, developed further this sociological concept of solidarity to a postliberal theory of modern republicanism and the emerging welfare state. The article pleads for a rediscovery of this forgotten French tradition of postliberal republican solidarity and its potential, which has not yet been exploited.