Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage von Strategie und Degrowth im Agrar- und Ernährungssystem. Er untersucht verschiedene Strategien, die in der Degrowth-Literatur vorkommen und von der Degrowth-Bewegung mit dem Ziel einer sozial-ökologischen Transformation angewandt werden. Dazu wird Erik Olin Wrights Rahmenwerk in der von Ekaterina Chertkovskaya weiterentwickelten Form verwendet und Strategien der Nische, der Reform und des Bruchs werden untersucht. Erstere sind im Bereich des Agrar- und Ernährungssystems am weitesten in der Literatur und Praxis verbreitet, zweitere hingegen werden bisher nur marginal als Analyserahmen in der Degrowth-Literatur verwendet. Letztere spielen in räumlicher und temporärer Begrenzung – v. a. in Verbindung mit Strategien der Nische – zunehmend eine Rolle.
This contribution addresses the question of strategy and degrowth in the agricultural and food system. It examines different strategies that appear in the degrowth literature and are used by the degrowth moemvent with the goal of a social-ecological transformation. To this end, Erik Olin Wrights‘ framework, which was further developed by Ekaterina Chertkovskaya, is being applied and interstitial, symbotic and disrupting strategies are examined. The former ist most prevalent in the degrowth literature on agri-food system and practice, while the latter have been used only marginally as a framework of analysis in the degrowth literature. The latter are playing increasingly a role in spatial and temporal confinement – especially in connection with interstitial strategies.
Das Konzept des doing gender im Hinblick auf das Essverhalten folgt der Annahme, dass Lebensmittel geschlechtlich kodiert und entweder als männlich oder weiblich klassifiziert werden. Fleisch wird dem Männlichen zugeschrieben. Für den geringen Männeranteil (zwischen 20 und 30 Prozent) und den hohen Frauenanteil (zwischen 70 und 80 Prozent) unter allen sich vegetarisch ernährenden Personen in Deutschland und Österreich bietet das Konzept des doing gender eine Erklärung an. Männer konstruieren und verteidigen ihr männliches Geschlecht durch den Verzicht auf Fleisch. In diesem Artikel wird der Frage nachgegangen, wie der Verzicht auf Fleisch mit der Konstruktion von Männlichkeit zu vereinbaren ist. Zur Beantwortung wurde eine qualitative Interviewstudie mit sich fleischfrei ernährenden Männern durchgeführt. Der Artikel veranschaulicht, dass eine vegetarische Ernährung zumindest mit den Praxen einer alternativen Männlichkeit kompatibel ist. Der Fleischverzicht reiht sich in weitere Praxen einer alternativen Männlichkeit ein, die einer hegemonialen Ordnung der Geschlechter entgegenstehen. Für die Herstellung von Männlichkeit stellt die fleischfreie Ernährung für Männer im Typus einer alternativen Männlichkeit keinen Widerspruch dar, sondern stützt ihre anti-patriarchale Orientierung.
The concept of doing gender with regard to eating behavior follows the assumption that food is gender-coded and classified as either male or female. Meat is attributed to the masculine. The concept of doing gender provides a plausible explanation for the low proportion of men (between 20 and 30 Percent) and for the high proportion of women (between 70 and 80 percent) among all vegetarians in Germany and Austria. Men construct and defend their masculine gender by consuming meat and women their feminine gender by abstaining from meat. This article explores the question of how abstaining-from-meat can be reconciled with the construction of masculinity. To answer this, a qualitative interview study was previously conducted with vegetarian men. The article shows that a vegetarian diet is at least compatible with the practices of an alternative masculinity. Eating meat-free joins other practices of an alternative masculinity that resist a hegemonic order of gender. For the production of masculinity the meat-free diet does not represent a contradiction for men in the type of an alternative masculinity, but rather supports their anti-patriarchal orientation.
Dieser Artikel fokussiert auf die Hersteller*innen tierischer Fleischprodukte und pflanzlicher Fleischalternativen und arbeitet heraus, wie sie sich unter den Bedingungen der gegenwärtig zu beobachtenden Dynamiken im Ernährungsbereich konstituieren. In den Blick genommen werden hier einerseits das Metzgereihandwerk und andererseits Hersteller*innen pflanzlicher Fleischalternativen. Empirisch basiert der Artikel auf einem breiten Materialkorpus, der auf einem qualitativen Vorgehen in Erhebung und Auswertung aufbaut. Hier liegen teilnehmende Beobachtungen, diverse Felddokumente sowie Expert*inneninterviews im Bereich der Lebensmittelbranche zugrunde. Innovation und neues Produktwissen, so zentrale Ergebnisse der Untersuchung, werden vor allem für die Position des Metzgers immer wichtiger. Dabei verändert sich auch die Inszenierung der Tiere, wodurch sich die Metzger*innen von der stigmatisierten Großindustrie abgrenzen. In der Produktion von Fleischalternativen zeigt sich, wie eine symbolische Nähe auf Grundlage des Produktionswissens zu Fleisch hergestellt und daraus die männlich vergeschlechtlichte Figur des Pioniers und Erfinders konstruiert wird.
This article focuses on the producers of animal and plant-based meat products and elaborates, how they are constituted under the conditions of the currently observable dynamics in the food sector. The focus is on the butcher’s trade on the one hand and on producers of plant-based meat alternatives on the other. Empirically, the contribution is based on a broad corpus of materials, which builds on a qualitative approach in survey and analysis. It is based on participant observations, various field documents and interviews with experts in the food industry. Innovation and new production knowledge, according to the central results of the study, are becoming increasingly important, especially for the position of the butcher. Here, the staging of animals is also changing, whereby the butchers distinguish themselves from the stigmatized large-scale industrial meat production. The production of meat alternatives shows, how a symbolic being-close is established on the basis of production knowledge about meat and how the male-gendered figure of the pioneer and ingenious inventor is constructed from this.
Die international anerkannte, handwerklich-traditionelle deutsche Backkultur sieht sich mit ökonomischen Konzentrationsprozessen konfrontiert. Da sich die industrialisierte Bachwarenproduktion immer weiterverbreitet, entwickeln sich in jüngster Vergangenheit „alternative Bäckereien“, um verfestigten Normen den Rücken zu kehren. Ziel dieses Beitrags ist es, die Handlungslogiken und Rechtfertigungen von „alternativen Bäckereien“ näher zu beleuchten. Dadurch hoffen wir, die Aushandlung von Qualität und Alternativität in der Lebensmittelproduktion besser zu verstehen. Wir stellen uns die Frage, wie übergeordnete Werte, Annahmen, (Qualitäts-)Vorstellungen und Ideale das Handeln von „alternativen Bäckereien“ beeinflussen und leiten. Diese Frage wird unter Zuhilfenahme der Konventionstheorie beantwortet. Diese unterscheidet sieben Welten, die wir für „alternative Bäckereien“ skizzieren. Spannungsfelder, die sich durch die Ko-Existenz verschiedener Welten ergeben, werden am Beispiel von Zertifizierungen dargestellt.
The internationally recognised culture of the traditional German baker’s craft is confronted with economic concentration processes. As industrialised bakery production becomes more widespread, „alternative bakeries“ have recently turned their backs on entrenched norms. The objective of this article is to shed light on justifications of „alternative bakeries“. In doing so, we seek to better understand the negotiation of quality and alternativity in food production. We ask: Ho do overarching values, assumptions, (quality) perceptions and ideals do influence and guide the activities of „alternative bakeries“? We answer this question with assistance of convention theory, which distinguishes seven worlds that we outline for „alternative bakeries“. Areas of conflicts can emerge due to the co-existence of different worlds, which we will exemplify by certification schemes.
Im Kontext eines wachsenden Interesse an nachhaltig hergestellten Lebensmitteln und eines vermehrten Bedürfnisses nach Versorgungssicherheit im Zuge der COVID-19-Pandemie hat in den vergangenen Jahren die Nachfrage nach Lebensmittel-Lieferkisten in Österreich und Deutschland zugenommen. Bislang wurden Lebensmittel-Lieferkisten im wissenschaftlichen Diskurs überwiegend aus dem Blickwinkel Alternativer Lebensmittelnetzwerke (ALN) diskutiert. Mit neuen Modellen und Lebensverhältnissen stellt sich die Frage, ob diese Fokussierung noch zeitgemäß ist. Ziel dieses Artikels ist eine konzeptionelle Klärung und eine Analyse der Bedeutung des Phänomens für gesunde und nachhaltige Ernährungspraktiken. Hierfür wurde eine Frame-Analyse von Lebensmittel-Lieferkisten in einem Korpus aus 20 systematisch recherchierten, internationalen und begutachteten Zeitschriftenartikels durchgeführt. Es wurden zwei dichotome, nach Kontinenten und Disziplinen variierende Deutungsrahmen identifiziert, die anhand verschiedener KonsumentInnen-Gruppen konstruiert sind: Kisten, die wertebewussten KonsumentInnen Handlungsmacht zu Nachhaltigkeit ermöglichen, vs. Kisten zur Sicherstellung der Ernährung bedürftiger EmpfängerInnen, die Handlungsmacht für gesunde und nachhaltige Ernährung implizieren. Lebensmittel-Lieferkisten transportieren demnach nicht nur immaterielle Botschaften ökologischer, sondern auch sozialer Nachhaltigkeit, die historisch gewachsen sind.
In context of growing social interest in sustainable food and the increasing need for a secure food supply in the wake of the COVID-19-pandemic, the demand for food delivery boxes has increased in Austria and Germany in recent years. Up to now, food delivery boxes have been discussed in the scientific discourse mainly with reference to alternative food networks (AFN). With the emergence of new models and the change in living conditions, the question arises whether this focus is still up-to-date. The aim of the article is a conceptual elucidation and an analysis of the meaning of the phenomenon for healthy and sustainable food practices. A frame analysis of food boxes was conducted in a corpus of 20 international and peer-reviewed journal articles collected through a systematic literature review. Two dichotomous interpretive frames (perspectives) were identified differing by continents and disciplines, and constructed by differently addressed consumer groups: Boxes that enable value-conscious consumers to act sustainably vs. boxes that are delivered to deprived recipients to ensure food security and convey responsibility for healthy and sustainable food practices. Food delivery boxes thus transport intangible messages that relate not only to environmental but also to social sustainability, which have grown historically.