Die Frage, wie soziale Organisationen mit Krisen und Risiken umgehen bzw. welche Strategien und Praktiken es gibt, um diese zu bewältigen, stellt sich nicht nur seit der Corona-Pandemie. Die Bedrohung durch Risiken und krisenhafte Ereignisse ist für Organisationen nicht Neues, was zur Entwicklung vieler Konzepte des Risikomanagements führte, die Unternehmen im Umgang damit unterstützen sollen. Welche theoretischen Ansätze es diesbezüglich gibt, wird im Überblick vorgestellt. Ob ein effizientes Risikomanagement in der Praxis gelebt wird, wird anhand von Interviews und einer Online-Umfrage bei sozialwirtschaftlichen Unternehmen näher beleuchtet. Die Befunde zeigen, dass Risikomanagement in der Sozialwirtschaft angekommen ist sowie Offenheit für innovative und kreative Zugänge besteht. Viele erkennen inzwischen den Nutzen von Risikomanagement, welches die Krisenfestigkeit und Resilienz stärkt, Wettbewerbsvorteile erhöht und Organisationen befähigt, sich durch das Erkennen von Chancen weiterzuentwickeln.
The question of how social organizations deal with crises and risks, or what strategies and practices exist to cope with these, is not only relevant since the Corona pandemic. The threat of risks and crisis-like events is nothing new for organizations, which led to the development of several concepts of risk management that are supposed to support companies in dealing with them. An overview of the theoretical approaches in this regard is presented. Whether efficient risk management is practiced in reality, this is being examined further by means of interviews and an online survey among social economy enterprises. The findings show that risk management has arrived in the social economy and that there is openness for innovative and creative approaches. Many now recognize the benefits of risk management, which strengthens crisis resistance and resilience, increases competitive advantages and enables organizations to further develop by recognizing and realizing opportunities.
Dieser Artikel analysiert Unterstützungssysteme für Menschen mit Behinderungen mit unterschiedlicher paradigmatischer Orientierung, insbesondere Organisationen der Behindertenhilfe und der Persönlichen Assistenz, im Rahmen der COVID-19-Pandemie. Unter Anwendung des Enactment-Ansatzes von Karl E. Weick wird untersucht, wie diese Systeme in Krisenzeiten Sinn konstruieren und wie Akteur*innen mit und in Institutionen agieren. Unter Anwendung der Grounded Theory und der Diskursanalyse wird anhand empirischer Daten beleuchtet, wie unterschiedliche Unterstützungssysteme existierende Ungleichheiten modulieren oder intensivieren und wie ein Paradigmenwechsel hin zu einem sozialen Modell von Behinderung, wie in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen gefordert, erreicht werden kann. Teilergebnisse aus dem vom FWF geförderten Projekt „Cov_Enable: Neudenken von Vulnerabilität in Krisenzeiten“ (Einzelprojekt P 34641) werden präsentiert, die die Notwendigkeit einer kritischen Reflexion und Überarbeitung der aktuellen Unterstützungsansätze unterstreichen.
This article analyzes support systems with different paradigmatic orientations, especially disability service organizations and personal assistance in context of the COVID-19 pandemic. Using Karl E. Weicks enactment approach, it is being demonstrated how these systems construct meaning in times of crisis and how actors act with and within institutions. Based on grounded theory and discourse analysis, empirical data will be used to shed light on how different support systems modulate or intensify existing inequalities and how a paradigm shift towards a social model of disability, as called for in the UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities, can be achieved. Partial results from the FWF-funded project „Cov_Enable: Rethinking Vulnerability in Times of Crisis“ (Individual Project P 34641) are presented, highlighting the need for critical reflection and revision of current approaches of support.
Die Covid-19-Pandemie brachte viele Veränderungen für Individuen und Gesellschaften mit sich. In Bezug auf das Corona-Virus selbst ist v. a. die starke Verbreitung von Verschwörungsmythen über das Virus bemerkenswert, die in diesem Artikel unter besonderer Berücksichtigung sozialräumlicher Muster in Österreich untersucht wird. Unter Verwendung von Daten der dritten Welle der Values in Crisis Austria-Studie (Juli 2022) konstruieren und validieren wir eine Messung für Verschwörungsmentalität mit drei Dimensionen: (1) Allgemeine Verschwörungsmentalität, (2) Covid-19-spezifische Verschwörungserzählungen und (3) Impf-, Covid- und Maßnahmenskeptizismus. Wir ziehen das Konzept der Peripherisierung ländlicher Gebiete heran und verknüpfen es mit Dynamiken politischer Entfremdung und multiplen Krisenerfahrungen, um Varianten in den zwei letztgenannten Dimensionen der Verschwörungsmentalität zu erklären. Weiters testen wir mit einer sequenziellen multiplen Regressionsanalyse, ob regionale Unterschiede nach Kontrolle soziodemografischer und einstellungsbezogener Prädiktoren beobachtbar bleiben. Hier zeigen sich weitere Effekte ausgehend von Parteipräferenzen und der Wahrnehmung politischer Desintegration auf Verschwörungsmythen, was den engen Zusammenhang zwischen Populismus und Wissenschaftsskepsis sowie institutionellem Misstrauen im weiteren Sinn widerspiegelt.
The Covid-19 pandemic created several changes among individuals and societies. With respect to the corona-virus itself, the unprecedented spread of conspiracy theories, surrounding this, represents a particular noteworthy development that is being further explored with a specific focus on socio-spatial patterns across Austria. Using data of the third wave of the Values in Crisis Austria Survey (July 2022), we construct and validate a measure of conspiracy mentality that consists of three dimensions: (1) general conspiracy mentality, (2) Covid-19 specific conspiracy beliefs, and (3) vaccination-, covid- und containment measure skepticism. We use the concept of peripherization in rural areas and link this to dynamics of political alienation and multiple crises experiences to explain variations in these beliefs. By using a sequential multiple regression design, we investigate, if regional differences remain observable once controlling for socio-demographic and attitudinal predictors. Here we find further effects between party preferences and perceptions of political disintegration and conspiracy beliefs, which potentially reflects the link between populism, science skepticism and institutional distrust more broadly.
Verschwörungserzählungen und Bullshit werden vielfach als Bedrohung der Demokratie gesehen. Wie es dazu kommt, dass Menschen dem anheimfallen, ist ein junger Forschungsgegenstand, der in der Sozialpsychologie und Politikwissenschaft, aber wenig in der Wissenssoziologie diskutiert wird. Dabei spielt gerade die Wissenssozialisation eine bedeutende Rolle. Der Artikel beleuchtet die Phänomene Verschwörungserzählungen und Bullshit aus wissenssoziologischer Perspektive. Dafür werden Foucaults Wissensbegriff, den er in „Überwachen und Strafen“ (1975) entwickelt, mit dem Begriff des Alltagswissens von Peter Berger und Thomas Luckmann in „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie“ (1966) miteinander zusammengedacht. Der Artikel entwickelt aus der Fusion beider Begriffe den Begriff der „Naturalisierung von Wissen“: Wissen hat einen Produktionsprozess (Foucault). Das Erlernen von Alltagswissen bedeutet jedoch, es unhinterfragt als gewiss zu betrachten (Berger/ Luckmann) – man lernt, den Produktionsprozess von Wissen auszublenden und Wissen zu naturalisieren. Das mit dem Alltagswissen erlernte Verhalten, Wissen zu naturalisieren, führt dazu, Wissen in Verschwörungserzählungen und Bullshit zu naturalisieren.
Generally speaking, conspiracy „theories“ and bullshit are seen as a threat for democracy. Nonetheless, the question of why people adhere to them is a young research topic that is being discussed in social psychology and political science, but less so in the sociology of knowledge. Still, the knowledge socialisation plays a tremendous role in this regard. The article sheds light on the phenonoma of conspiracy „theories“ and bullshit from a perspective of the sociology of knowledge. For that reason, the author suggests a conceptual merger of the notion of knowledge (developed by Michel Foucault in „Discipline and Punish“, 1975) with a different notion of knowledge (developed in „The Social Construction of Reality“, 1966, by Peter Berger und Thomas Luckmann). The fusion of both concepts represents a starting point for the creation of a new term in this article – „the naturalisation of knowledge“: Knowledge is always a product (Foucault). To acquire primary knowledge means to acquire knowledge unquestioned, to take this knowledge for granted (Berger/ Luckamm) and to ignore a too specific character. Knowledge ist being naturalised. The naturalisation of knowledge represents a basis for falling-in-line with conspiracy „theories“ and bullshit.
Der Beitrag befasst sich mit der Inanspruchnahme von Väterkarenz in Österreich. Mit Hilfe der Daten des von
L & R Sozialforschung durchgeführten Wiedereinstiegsmonitorings im Zeitraum 2006–2018 werden Karenzväter auf Basis der Art der Inanspruchnahme typisiert. Im Wesentlichen kristallisieren sich dabei vier unterschiedliche Typen von Karenzvätern heraus. Diese werden als Teilzeit-Karenzväter, Kurzzeit-Karenzväter, fortgeschrittene Karenzväter und Langzeit-Karenzväter bezeichnet. Eine genauere Analyse zeigt einerseits, dass sich diese Typen in Bezug auf ihre soziodemografischen Merkmale unterscheiden. Andererseits kommt die Forschung zu dem Schluss, dass Ansätze der Verhaltensökonomie für Menschen mit hohem Einkommen und Ausbildung bei der Wahl von Teilzeit-Karenzen durch Männer aus kleineren Betrieben und bei längerer Karenzdauer von Vätern, die seltener erwerbstätig sind, eine Rolle zu spielen. Die Opportunitätskosten-Theorie schlägt sich bei Vätern mit niedrigem Einkommen, die ebenfalls längere Karenzzeiten aufweisen, nieder. Die Ergebnisse sollen helfen, potenzielle Zielgruppen für Väterkarenz zu identifizieren und Strategien zu definieren, um die Inanspruchnahme von Väterkarenz zu erhöhen.
The article discusses the take-up of parental leave by fathers in Austria. With the data of the „Wiedereinstiegsmonitoring“, referring to the period of 2006 – 2018 (L & R Sozialforschung), the author categorizes fathers based on their mode of take-up. There appear to be four distinct types of leave-takers: Part-times leave-takers, minimum leave-takers, intermediate leave-takers and long-term leave-takers. A more detailed analysis reveals that on the one hand these types differ in terms of their socio-demographic characteristics. On the other, the author concludes that also the leave schemes available influence the mode of take-up. While approaches of behavioural economics apply to high-income and the highly-educated men’s use of short-term leave, reconciliation opportunities apparently play a role for the choice of part-time leave of men working in smaller companies, while longer leave durations are chosen by fathers, who are less likely to be employed. Opportunity cost theory is being reflected by low-income fathers, who furthermore show longer parental leave durations. The results shall support policy makers to identify potential target groups for the take-up of parental leeave, but also create strategies in order to increase the overall share of male leave-takers.